Nur Der Tod Kann Dich Retten
abgenommen wurde.
» Hier ist Ian Crosbie «, hörte sie die vertraute Ansage, » ich kann im Moment nicht ans Telefon gehen, aber wenn Sie Namen, Telefonnummer und eine kurze Nachricht hinterlassen, werde ich sobald wie möglich zurückrufen .«
Kerri beendete die Verbindung vor dem Piepton, legte das Handy auf das Kissen neben sich und redete sich selbst ein, dass die Tatsache, dass Ian nicht abgenommen hatte, nicht notwendigerweise bedeuten musste, dass er nicht zu Hause war. Es hieß lediglich, dass er, genau wie angekündigt, früh schlafen gegangen war. Weshalb also ihre Sorge? Warum war sie so verzagt?
»Kerri«, rief ihre Mutter aus dem ersten Stock. »Kerri, was ist los?«
Kerri strich ihre platinblonde Haarverlängerung aus dem Gesicht, rieb sich die gestraffte Stirn und schloss ihre gelifteten Augen, während ein tiefer Seufzer aus ihrer vergrößerten Brust drang. »Ich habe keine Ahnung.«
22
J ohn raste los, ohne sich allzu viel Sorgen über mögliche Fußgänger zu machen. Seit dem Fund von Lianas Leiche machte nach Einbruch der Dunkelheit niemand mehr einen Abendspaziergang. Außerdem musste er möglichst viel Abstand zwischen sich und Kerri bringen, bevor er irgendeine Dummheit machte. Allein ihr Duft war so verdammt berauschend gewesen, und wie sie sich in den Wagen gebeugt und ihre Brüste präsentiert hatte wie zwei bunte Blumentöpfe auf einem Fensterbrett oder zwei Canapés auf einem Silbertablett. Einen Moment lang hatte er geglaubt, dass sie vielleicht versuchte, ihn zu verführen, aber dann hatte sie dieses Arschloch von Dr. Crosbie erwähnt, und der Name war durch seine Adern geschossen wie Eiswasser. Ich kenne einen guten Arzt, hatte sie gesagt.
Er war in Versuchung gewesen, ihr gleich an Ort und Stelle alles zu erzählen, was er von ihrem »guten Arzt« wusste, aber stattdessen hatte er auf das Gaspedal gedrückt und war in die Nacht davongerauscht. Kerri Franklins Liebesleben ging ihn nichts an. Seine Aufgabe war es, Gesetzesbrecher zu fassen, und so wie Cal Hamilton sich an diesem Abend aufgeführt hatte, hatte er die Grenze zwischen lediglich anstößig und offen kriminell deutlich überschritten. Man verwüstete nicht das Haus einer Frau und terrorisierte ihre Familie, man verteilte keine Ohrfeigen und stellte Fragen, auf die diese Frau offensichtlich keine Antwort wusste, nur weil die eigene Gattin endlich aus ihrer Lethargie erwacht, zur Vernunft gekommen und Hals über Kopf geflohen war.
Denn genau das war seiner Einschätzung nach passiert.
Und nun war er nur noch ein paar Minuten vom Haus der Hamiltons entfernt und betete, dass Cal dort sein würde, damit er und seine Deputies nicht die halbe Nacht nach ihm suchen mussten. Außerdem hoffte er, dass Cal sich wieder so weit beruhigt hatte, dass er zu einer nüchternen Einschätzung seiner Situation in der Lage und vielleicht sogar schon in diesem Moment im Begriff war, sich ohne weitere Unannehmlichkeiten zu stellen. Eine Nacht in der Arrestzelle würde ihn zweifelsohne ernüchtern. Und so wütend Kerri auch sein mochte, bestand vielleicht trotzdem eine Chance, dass sie den Zwischenfall nicht anzeigen würde, wenn Cal sich entschuldigte und versprach, so etwas nie wieder zu tun.
Falls sich Delilahs Verdacht nicht doch bewahrheitete und Cal Hamilton nicht nur seine Frau, sondern auch Liana Martin gemetzelt hatte – möglicherweise sogar Candy Abbot? -, dachte John, und ein dumpf pochender Schmerz umkreiste seine Augen wie eine sterbende Fliege. In diesem Fall wäre der Mann entweder ein wahnsinniger Serienmörder oder ein kalter, berechnender Killer.
Aber irgendwie passte keine der beiden Beschreibungen.
Cal mochte ein arrogantes Arschloch sein, aber er war nicht verrückt. Ebenso wenig wie besonders intelligent. Während John es für absolut plausibel hielt, dass Cal dazu fähig war, seine Frau zu töten, vor allem wenn er wütend oder betrunken oder noch wahrscheinlicher beides war, traute er ihm nicht den Verstand zu, die Tat zu verschleiern, indem er einige Zeit später bei Kerri auftauchte und filmreif zu wissen verlangte, wo seine Frau geblieben war. Und auch wenn er vielleicht herzlos genug war, eine Reihe junger Frauen zu ermorden, um den Verdacht beim Tod seiner Frau von sich abzulenken, hielt John ihn nicht für annähernd clever genug, einen solchen Plan überhaupt auszuhecken. Für derlei Vorüberlegungen bedurfte es wacher Intelligenz und reger Einbildungskraft, Eigenschaften, an denen es Cal Hamilton
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