Nur Der Tod Kann Dich Retten
Ausrufezeichen in der Luft, »ich muss jetzt wirklich los.« Er sah auf die Uhr. Delilah bemerkte, dass es eine Rolex war, und fragte sich, wie er sich ein derart kostbares Stück leisten konnte. Sie entschied, dass es eine Fälschung sein musste, und überlegte, wie viel von dem, was er ihr erzählt hatte, echt war. »Ich bin schon ein bisschen spät dran.« Cal öffnete die Tür zum Carport. »In ein paar Stunden bin ich zurück. Pass gut auf mein Mädchen auf.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Delilah und beobachtete, wie er in seine glänzend rote Corvette steigen wollte, als er plötzlich innehielt und in den Garten des Nachbarhauses starrte. »Haben Sie was vergessen?«, fragte sie ihn, aber er beachtete sie gar nicht. Im nächsten Augenblick saß er hinterm Steuer und setzte rückwärts auf die Straße. So ein Auto hatte sie sich immer gewünscht, dachte Delilah und entdeckte dann Megan, die sich in einem knappen weißen Bikini im Nachbargarten sonnte. Delilah erinnerte sich, dass die Crosbies nebenan wohnten, und konnte sich jetzt auch Cals Blicke erklären. Kopfschüttelnd schloss sie die Küchentür und fragte sich, ob je ein Mann sie so ansehen würde.
Dafür musst du erst mal ein paar Pfund abspecken, Schätzchen , hörte sie den hoffnungslos näselnden Singsang ihrer Mutter, den sie sich auch mit Sprechunterricht nicht hatte abtrainieren können. Im Gegensatz zu anderen, formbareren
Teilen des menschlichen Körpers waren Stimmbänder offenbar resistent gegen Veränderung. Ihre Mutter konnte sich die Lippen aufspritzen lassen, so viel sie wollte, die Laute, die aus ihrem Mund drangen, blieben störrisch dieselben.
Achselzuckend öffnete Delilah den Kühlschrank und musterte mit einem weiteren Achselzucken seinen Inhalt. Milch, Orangensaft, Bier, noch mehr Bier, ein paar grüne Äpfel, eine schlaffe Sellerie, ein blasses grünes Salatblatt, das an den Rändern braun wurde, und noch mehr Bier. Sie sah im Gefrierschrank nach und entdeckte drei Schachteln mit Dove-Eiscremeriegeln, alle offen. »Lieber nicht«, flüsterte sie und schloss die Tür wieder, bevor sie der Versuchung nachgeben konnte. Stattdessen wollte sie ein Glas Wasser trinken. Ihre Großmutter hatte ihr erklärt, dass sie jedes Mal, wenn sie Appetit verspürte, ein Glas Wasser trinken sollte, um so das Hungergefühl und die Gefahr zu bekämpfen, sich zu überfressen. Mit frischer Entschlossenheit trat sie ans Waschbecken, um sich ein Glas zu füllen, wobei ihr Blick unabsichtlich wieder durch die Lamellen in den Garten der Crosbies fiel. Megan hatte sich inzwischen in ihrem Liegestuhl aufgerichtet und begonnen, ihre schlanken Schenkel mit Sonnenöl einzucremen. Sie war so hübsch, dachte Delilah. Und sie musste sich bestimmt nie zwischen einem Dove-Riegel und einem Glas Wasser entscheiden. Aber sie missgönnte Megan ihre langen Beine und die schlanke Taille nicht. Megan war immer, wenn schon nicht direkt nett, so doch wenigstens nicht offen gemein zu ihr gewesen, obwohl sie mehr Grund dazu hatte als die anderen, wenn man überlegte, dass Delilahs Mutter schuld daran war, dass Megans Vater seine Familie verlassen hatte.
Als Megan sich fertig eingecremt hatte, blickte sie zum Haus der Hamiltons, als spürte sie, dass sie beobachtet wurde. Delilah winkte, aber ihr Gruß blieb unbeantwortet. Megan verstellte die Rückenlehne des Liegestuhls und gab sich wieder den warmen Sonnenstrahlen hin. Delilah nippte an dem
Wasser und sagte sich, dass es keine vorsätzliche Zurückweisung gewesen war, weil Megan sie hinter der geschlossenen Jalousie gar nicht gesehen haben konnte. Wieso waren die Jalousien überhaupt heruntergelassen, fragte sie sich. Warum war es in dem Haus immer so dunkel? War Fiona Hamilton vielleicht nicht nur agorphobisch , sondern hatte auch noch Angst vor der Sonne? Lachend wandte sie sich vom Fenster ab.
Die Frau, die plötzlich in der Küchentür stand, wirkte nicht wie ein menschliches Wesen, sondern wie eine geisterhafte Erscheinung. Ihre Arme hingen schlaff herunter, und unter ihrem weißen Nachthemd ragten nackte Füße hervor. Ihre langen sandfarbenen Haare fielen locker auf ihre Schultern und in ihr ohnehin zerbrechliches Gesicht und betonten den eindringlichen Blick ihrer großen blaugrünen Augen.
Fiona Hamiltons unerwartetes Auftauchen ließ Delilahs Atem stocken. Sie ließ das Wasserglas fallen, das in zahllosen Scherben auf den Fliesen zerbrach.
»Oh nein«, rief die Frau, ohne sich zu rühren.
»Schon
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