Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur der Tod sühnt deine Schuld

Nur der Tod sühnt deine Schuld

Titel: Nur der Tod sühnt deine Schuld
Autoren: Carla Cassidy
Vom Netzwerk:
erzählen.« Haley versuchte, sich in seiner Umarmung zu entspannen, spürte aber, dass ihr ein wenig Abstand lieber gewesen wäre. Der schützende Kokon von Greys Armen war beinahe zu angenehm. Als hätte er es gespürt, ließ er sie los.
    Haley setzte sich kerzengerade hin, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und zog dann nachdenklich an einer Strähne. »Es ist immer dasselbe. Ich renne, so schnell ich kann. Ich renne vor irgendwas weg, weiß aber nicht, wovor. Ich weiß nur, dass ich nicht stehen bleiben darf. Denn wenn es mich einholen würde, wäre ich tot.«
    »Klingt beängstigend.«
    »Das ist es auch, aber es ist ja nur ein dummer Traum.« Haley runzelte die Stirn. »Ich wollte gar nicht einschlafen. Wie viel Uhr ist es eigentlich?«
    Flucht. Sie spürte, wie der Impuls in ihr immer stärker wurde. Hier bei Grey war es zu kuschelig, zu eng. Verdammt, sie war eingeschlafen, noch dazu in seinen Armen.
    »Kurz vor Mitternacht.«
    »Ich weiß, es ist viel verlangt, aber würde es dir etwas ausmachen, mich nach Hause zu bringen?«
    Grey setzte sich auf. Er wirkte jetzt noch besorgter als vorher. »Wenn du wirklich wegwillst, bringe ich dich natürlich nach Hause. Aber warum?«
    Warum? Wie sollte sie ihm das erklären, wo sie es doch selbst nicht verstand. »Ich habe es mir zur Regel gemacht, nie die Nacht mit einem Mann zu verbringen. Es ist einfach besser für mich, wenn ich alleine in meinem Bett aufwache.«
    Haley wünschte, sie hätte sich nicht schon auf dem Weg ins Schlafzimmer ausgezogen. Jetzt würde sie nackt durch die Wohnung tapsen müssen.
    »Dann brich die Regel«, sagte Grey. »Die Nacht ist schon halb vorbei, und wir liegen ohnehin im Bett.« Er schwieg einen Moment und verengte die Augen. »Läuft das immer so, Haley? Wenn dir jemand zu nahe kommt, ergreifst du die Flucht?«
    »Ich habe dich doch gebeten, mich nicht zu analysieren.« In Haleys Stimme schwang Verärgerung mit.
    Grey sah ihr lange in die Augen. »Das tue ich auch nicht. Ich bin dabei, mich in dich zu verlieben, Haley.«
    Sie war entsetzt. »Das ist doch verrückt. Glaub mir, das willst du gar nicht, also hör sofort auf damit.« Sie sprang aus dem Bett und fand ihren Slip vor der Tür. Mit wild pochendem Herzen, als wäre sie wieder zurück in ihrem Alptraum, schlüpfte sie hinein.
    Sie musste hier raus. Musste weg von Grey. Sie war schon viel zu lange geblieben.
    Als sie das Schlafzimmer verließ, hörte sie, wie er aus dem Bett stieg.
Ich bin dabei, mich in dich zu verlieben, Haley.
Seine Worte hallten in ihrem Kopf wider, als sie ihren BH anzog und dann in die Küche eilte, um ihr Kleid zu suchen.
    Ich bin dabei, mich in dich zu verlieben.
Was dachte er sich nur dabei? Er war ein intelligenter Mann, viel zu intelligent, um sich in eine Frau wie sie zu verlieben.
    Haley streifte sich gerade in der Küche das Kleid über, als Grey im Türrahmen erschien. Er hatte Jeans und ein T-Shirt angezogen und kam zu ihr herüber. Mit einer Handbewegung gab er ihr zu verstehen, dass sie sich umdrehen sollte, damit er den Reißverschluss zumachen konnte.
    Danach drehte er sie wieder zu sich um. Seine Hände lagen auf ihren Schultern, und er sah sie an. »Jetzt kriegst du von mir eine kostenlose Analyse, ob du willst oder nicht. Ich glaube, als du deinen Vater verloren hast, hast du beschlossen, dass es zu weh tut, wenn man jemanden liebt oder zu nahe an sich heranlässt. Ich glaube, seit dem Tag läufst du vor der Liebe davon. Du bist entschlossen, an deiner Trauer festzuhalten, damit dich nichts wirklich berühren kann. Aber du hast kein Monopol auf Trauer, Haley.«
    Sie riss sich von ihm los und trat einen Schritt zurück. »Er war mein Fels, der Einzige, der mich verstanden hat. Der Einzige, der mich geliebt hat.« Sie hatte zu weinen begonnen und wusste nicht, warum. »Du hast keine Ahnung, wie es ist, wenn jemand stirbt, den man liebt. Du weißt nicht, wie sich ein kleines Mädchen fühlt, das seinen Vater verliert.«
    »Nein, aber ich weiß, wie sich ein Vater fühlt, der den einzigen Sohn verliert.« Sein Gesicht verdüsterte sich, nahm einen gequälten Ausdruck an, so, wie sie es schon einmal bei ihm erlebt hatte. »Ich weiß, wie es ist, wenn man das Zimmer des eigenen Sohnes betritt, sein Gehirn über die Wand verteilt sieht und versucht, seinen toten Körper wiederzubeleben.« Greys Nasenflügel bebten vor Zorn. »Sag du mir nicht, ich hätte keine Ahnung, wie es ist, einen Menschen zu lieben und ihn zu verlieren. Fragt sich, wer von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher