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Nur der Tod sühnt deine Schuld

Nur der Tod sühnt deine Schuld

Titel: Nur der Tod sühnt deine Schuld
Autoren: Carla Cassidy
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uns beiden das besser weiß.«
    Er drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Küche, während Haley ihm erschrocken hinterherblickte.

[home]
    18
    U nendliche Trauer breitete sich in Haley aus und drohte sie zu verschlingen. Das war der Grund, warum sie niemanden an sich heranließ. Ihr eigener Schmerz war zu groß, als dass sie auch noch den anderer Menschen hätte teilen können. Und doch hallten Greys Worte in ihr wider, in ihrem Kopf, in ihrem Herzen, in ihrer Seele.
    Ein Sohn. Grey hatte einen Sohn gehabt, und etwas Entsetzliches war geschehen. Haley stand lange mit geschlossenen Augen in der Küche und versuchte, das Wenige, was er ihr mitgeteilt hatte, zu verarbeiten.
    Der Schmerz, der in seiner Stimme gelegen hatte, klang im Raum nach und stahl sich in ihren Kopf, in ihr Herz. Haley wusste, wenn sie sich von Greys Schmerz berühren ließ, würde ein Teil von ihm für immer bei ihr sein.
    Dennoch hatte sie keine andere Wahl, als zu ihm zu gehen, die Arme um ihn zu legen und zu versuchen, seinen Schmerz ein wenig zu lindern. Grey war ihr bereits mehr als nur ein wenig nahegekommen. So beängstigend es im Augenblick auch war, sie musste für ihn da sein, durfte nicht vor all dem fliehen, was er verkörperte.
    Er stand an der Fensterfront im Wohnzimmer, mit durchgedrücktem Kreuz, sichtlich angespannt. Er musste Haley gehört haben, drehte sich aber nicht um.
    »Er hieß Danny. Am dreiundzwanzigsten März vor zwei Jahren hat er sich eine Pistole an den Kopf gehalten und abgedrückt. Da war er vierzehn.«
    Haley schnappte leise nach Luft, dann legte sie eine Hand auf Greys Rücken, spürte die angespannten Muskeln. »Warum? Warum hat er das getan?« Sie stellte sich neben ihn. Das Mondlicht, das durch die Fenster fiel, erhellte sein Gesicht, in dem sich unendliche Qualen abzeichneten.
    »Depression. Verzweiflung. Glaub mir, die Frage habe ich mir immer und immer wieder gestellt.« Er seufzte, ein Geräusch, als wehe der Wind klagend durch tote Bäume.
    Haley nahm Greys Hand. »Komm, setzen wir uns.« Sie führte ihn zum Sofa, setzte sich neben ihn und knipste eine Lampe an. »Sprich mit mir, Grey. Erzähl mir, was passiert ist.«
    Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich hatte keine Ahnung, dass Danny Schwierigkeiten hatte. Er war immer ein ruhiges Kind und machte uns selten Probleme. Sarah hatte mir gegenüber erwähnt, dass er stiller zu sein schien als gewöhnlich, also habe ich versucht, mit ihm zu reden. Aber er meinte nur, es sei alles in Ordnung.«
    Grey beugte sich vor und vergrub das Gesicht in den Händen. Der Anblick brach Haley das Herz. Sie fühlte seinen Schmerz mit jeder Faser ihres Körpers, und das Schlimmste war, dass sie nichts sagen und nichts tun konnte, um Grey zu helfen, seinen Erinnerungen zu entfliehen.
    Er hob den Kopf und sah sie mit seinen blauen Augen gequält an. »An dem Tag bin ich früher von der Arbeit nach Hause gekommen als sonst. Sarah hatte eine Verabredung zum Mittagessen. Als ich die Haustür aufschloss, merkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Ich roch Schießpulver, dabei habe ich gar keine Waffe. Das weckte mein Misstrauen. Ich hörte Musik aus Dannys Zimmer und rannte die Treppe hoch.«
    Grey weinte nicht. Sein Schmerz schien zu groß dafür zu sein. Zu tief. »Er lag auf dem Fußboden, als ich ins Zimmer kam. Er war bereits tot, trotzdem habe ich noch den Notarzt gerufen und versucht, Danny zu reanimieren.« Grey stieß einen tiefen Seufzer aus. »Später haben wir dann den Abschiedsbrief gefunden. Danny und ein Freund von ihm wurden in der Schule gemobbt. Sie fühlten sich isoliert und allein und hatten beschlossen, in den Tod zu gehen.«
    »Was ist mit dem anderen Jungen?«
    »Gott sei Dank hat er im letzten Moment Angst gekriegt. Sonst hätte es zwei Tragödien gegeben statt einer.«
    »Grey, es tut mir so leid. Mir fehlen die Worte, um dir zu sagen, wie unendlich leid es mir tut.« Sie legte ihm eine Hand aufs Knie und wünschte, sie könnte sein verwundetes Herz umarmen. Nach einer Weile fasste er nach ihrer Hand, umklammerte sie.
    So saßen sie lange Zeit schweigend da. Schließlich ließ er ihre Hand los und lehnte sich zurück. »Dannys Tod bedeutete das Ende meiner Ehe. Ich war so voll von Trauer, dass ich gar nicht merkte, wie wütend Sarah war. Und ihre ganze Wut richtete sich gegen mich.«
    »Gegen dich?« Überrascht sah Haley ihn an.
    Er nickte. »Es dauerte sechs Monate, bis alles aus ihr herausbrach,
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