Nur die Liebe heilt
ich hier bin, helfen zu können“, entgegnete sie.
Einen Moment lang schien es ihn zu ärgern, dass sie ihn an ihre Abmachung erinnerte, doch dann riss er sich zusammen. „Sie sind heute Morgen so schnell verschwunden, wir konnten nach dem Bewerbungsgespräch gar nicht mehr reden. Was halten Sie von Ms Martin?“
„Sie scheint auf jeden Fall zu wissen, was sie tut“, sagte sie vorsichtig.
„Aber?“
„Nun, es war ein Bewerbungsgespräch, und das kann einen ganz schön unter Druck setzen, aber sie schien mir kein besonders warmherziger Mensch zu sein.“
„In welcher Hinsicht?“ Er schien ehrlich überrascht, und sie fragte sich, worauf er sich während des Gesprächs konzentriert hatte, wenn ihm das nicht aufgefallen war.
„Sie hat in der halben Stunde nicht ein einziges Mal gelächelt oder gelacht, nicht einmal am Anfang, als wir nur ein paar freundliche Worte über ihre Familie und Kollegen ausgetauscht haben.“
Er runzelte die Stirn. „Sind Sie sicher?“
„Ja. Ich habe darauf geachtet. Sie hat jede einzelne Frage beantwortet, als säße sie vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.“
„Vielleicht ist sie einfach ein ernster Mensch. Das muss doch nicht schlecht sein. Nicht jeder ist permanent eine Stimmungskanone.“
Ach so. Deswegen war es ihm nicht aufgefallen. Brodie selbst war schließlich einer der zurückhaltendsten, vorsichtigsten Menschen, die sie je getroffen hatte – zumindest meistens. Den leidenschaftlichen Kuss konnte man allerdings nicht dazuzählen, aber an den wollte sie wirklich nicht öfter als ein oder – ähm – zwei Mal alle fünf Minuten denken.
„Das stimmt. Es kann Vorteile haben, immerzu ernst zu sein. Für einen Bestatterzum Beispiel.“
Oder für einen umwerfenden Geschäftsmann, bei dem einer Frau jede Menge Ideen kamen, wie sie ihn etwas aufheitern könnte …
Hastig schob sie diesen Gedanken zur Seite. „Ich bin nur nicht sicher, ob so jemand eine widerspenstige Fünfzehnjährige motivieren kann.“
„Freundlichkeit bringt einen Menschen nicht immer weiter. Sehen Sie sich meine Eltern an. Meine Mutter ist wahrscheinlich die freundlichste, liebevollste Frau der ganzen Stadt. Aber was Motivation betrifft – ich habe mich vor allem immer für meinen Vater angestrengt, der wirklich ein verdammt ernster Mistkerl war, wie Ihnen jeder in der Stadt bestätigen könnte.“
Sie hatte hin und wieder ein paar Worte über Katherines Ehemann aufgeschnappt, der anscheinend sehr strikt und kompromisslos gewesen war. Auf einmal tat Brodie ihr leid. Ihr eigener Vater war auch unerreichbar gewesen, stets beschäftigt mit seinen politischen Ämtern in Santa Barbara. Dann war er an Herzversagen gestorben – wahrscheinlich nicht zuletzt, weil er sich nie die Zeit genommen hatte, über die Verrücktheiten des Lebens auch mal zu lachen.
„Und Sie glauben, Taryn würde sich so motivieren lassen?“, wollte sie wissen.
„Sie finden also nicht, dass ich diese Frau einstellen sollte.“
„Diese Entscheidung kann ich Ihnen nicht abnehmen, Brodie. Sie sind Taryns Vater. Sie müssen tun, was Sie für das Beste halten.“
„Und wenn ich denke, das Beste wäre, dass Sie so lange mit ihr zusammenarbeiten, bis Sie keine Hilfe mehr braucht?“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, schien er sie bereits zu bereuen.
Evie kniff die Lippen fest zusammen. Er wusste doch, dass sie das nicht tun konnte. Dass jeder Tag, den sie mit Taryn – und mit Brodie – verbrachte, ein Stich ins Herz war.
„Zwei Wochen, das hatten wir vereinbart. Nicht länger.“
Es schmerzte, die Enttäuschung in seinen Augen zu sehen, aber darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. Wenn sie jetzt einknickte, würde sie in Nullkommanichts so mit Taryns und Brodies Leben verstrickt sein, dass sie sich kaum mehr würde befreien können.
„Dann suche ich weiter. Aber wenn ich niemanden finde, der uns beiden gefällt, werde ich am Ende doch noch Ms Martin nehmen müssen.“
„Kapiert. Lassen Sie mich wissen, wenn ich bei weiteren Gesprächen dabei sein soll.“
„Das werde ich.“
Sie verfielen in Schweigen, und wieder war sie sich seiner Nähe schmerzhaft bewusst. Obwohl sie einige Schritte voneinander entfernt standen, konnte sie sein Aftershave riechen, das sehr maskulin war und zweifellos teuer. Der Duft erinnerte sie an lange Spaziergänge in den Bergen nach einem Regenschauer, wenn die Luft frisch und würzig war.
Das alberne Schulmädchen in ihr hätte am liebsten eine Weile hier
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