Nur die Liebe heilt
Augen verdreht. Sie kannte nicht viele Frauen, die sich liebevoll über das neue Kind ihres Exmannes äußern würde. Aber so war Claire nun mal.
„Riley muss für irgendwelche Ermittlungen nach Denver, und ich fahre mit, um ein paar Dinge für die Hochzeit zu erledigen. Aber erst am Nachmittag. Ich habe also alle Zeit der Welt. Heute ist dein Geburtstag, und ich kann mir für dich nichts Schöneres vorstellen, als beim Mittagessen mit Taryn zu feiern.“
„Gut“, rief Taryn glücklich.
„Sollen wir ins Café gehen?“, schlug Katherine vor.
Evie zögerte. Sie hatte eigentlich eher daran gedacht, etwas zu bestellen und dann im Garten oder im Laden zu essen. Taryn wurde immer noch nervös, wenn andere sie beim Essen beobachteten. Aber sie beschloss, die Entscheidung Taryn zu überlassen.
„Taryn?“
Taryn wirkte einen Moment unentschlossen, dann nickte sie. „Okay.“
„Gebt mir eine Minute, damit ich mir die Lippen nachziehen und meine Tasche holen kann“, sagte Katherine.
Während sie im Hinterzimmer war, nutzte Taryn die Zeit, sich ein paar Schmuckzeitschriften anzusehen, die neu hereingekommen waren. Evie nahm Claire zur Seite, um mit ihr über den nächsten Kunsthandwerksmarkt zu sprechen und über die Schmuckstücke, die sie dafür noch brauchte.
„Wir alle finden es wirklich toll, wie hart du diesen Sommer gearbeitet hast. Es ist nicht leicht, das alles ganz allein zu machen. Aufbauen, die ganze Zeit am Stand stehen und die Kunden beraten.“
„Mir macht es Spaß“, erklärte Evie wahrheitsgemäß.
„Und wie läuft es mit Taryn?“, fragte Claire leise.
„Falsche Frage heute“, erwiderte sie.
„Wieso, was ist passiert?“
Sie seufzte. „Ich hab’s vermasselt. Weißt du noch, wie Charlie Taryn geholfen hat, ein Armband zu machen?“
Claire stieß zischend die Luft aus. „Wie könnte ich das vergessen? Ich musste andiesem Nachmittag mindestens vier Ibuprofen und ein halbes Fläschchen Magentropfen nehmen.“
„Tut mir leid.“ Evie umarmte sie kurz. „Die Sache ist nur, dass Taryn seitdem wirklich aufgeblüht ist. Und deswegen, ähm, habe ich Charlie erlaubt, auch ins Haus zu kommen, um ihr bei der Therapie zu helfen. Und ich habe Brodie nichts davon erzählt – ja, ich war zu feige –, aber heute kam er unerwartet nach Hause und hat ihn gesehen.“
„Oh-oh. Erwischt.“ Claire sah zugleich mitfühlend und entsetzt aus.
Evie seufzte verdrossen. „Okay, das war nicht gerade besonders clever von mir. Aber Taryn freut sich immer, wenn er kommt, und strengt sich dann viel mehr an als sonst. Gerade jemand wie Brodie muss doch wissen, dass der Zweck manchmal die Mittel heiligt, verstehst du?“
„Und, redet er noch mit dir?“
Sie dachte an die spontane Umarmung in der Küche, wie er nach kurzem Zögern die Arme um sie geschlungen und sie lange festgehalten hatte.
„Er sagt, Charlie kann weiterhin kommen, solange er ihn nicht sehen muss. Aber eigentlich spielt es sowieso keine Rolle mehr. Dienstag ist mein letzter Tag mit Taryn, und dann muss die neue Therapeutin entscheiden, ob sie Freunde in den Therapieplan einbauen will oder nicht. Ich jedenfalls werde sie dazu ermutigen, aber es ist ihre Entscheidung.“
„Evie, wenn du mehr Zeit brauchst, ist das kein Problem, das weißt du.“
„Mehr Zeit wofür?“, fragte Katherine, die aus dem Hinterzimmer zurückkam. Sie sah elegant aus wie immer. Evie konnte nur hoffen, dass sie selbst zumindest annähernd so gut altern würde wie Brodies Mutter.
„Mehr Zeit, um herauszufinden, wie du es schaffst, jeden Tag jünger und schöner auszusehen“, sagte sie prompt.
Katherine verdrehte die Augen, doch bevor sie etwas entgegnen konnte, läutete die Türglocke und ein Paar kam in den Laden.
Evie hätte beinahe gelacht, als sie alle gleichzeitig ein leises Stöhnen ausstießen, als ob sie es vorher geübt hätten.
„Guten Tag, Genevieve“, begrüßte Claire die Frau. Groß und schlank mit kunstvoll gesträhntem blondem Haar und wie immer perfekt geschminkt, lächelte Charlies ältere Schwester sie der Reihe nach an.
Die Beaumonts gehörten zu den wohlhabendsten Familien in Hope’s Crossing, und Genevieve genoss es, ihren Reichtum zur Schau zu stellen.
In den letzten neun Monaten hatte sie sich aufgeführt wie Brautzilla auf Anabolika – herrisch, selbstverliebt und übertrieben anspruchsvoll. Claire war zu ihrem Bedauern in diese Beaumont-Danforth-Hochzeit verwickelt, weil sie sich bereit erklärt hatte, das Mieder des
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