Nur die Liebe heilt
geschrien, bis er bekommen hatte, was er wollte.
Gut, Brodie war sauer gewesen, und das konnte sie ihm wirklich nicht übel nehmen. Er hätte Charlies Besuche unterbinden und Evie nach Hause schicken können. Wahrscheinlich wäre es sogar sein gutes Recht gewesen, die Polizei zu verständigen – auch wenn sie kaum glaubte, dass Riley McKnight den Jungen wirklich wegen Hausfriedensbruchs festgenommen hätte.
Aber trotz allem hatte er Charlies Anwesenheit nicht verboten. Er stellte seine eigenen Wünsche zum Wohl seiner Tochter zurück, und Evie wusste nicht so genau, was sie davon halten sollte.
Oder davon, dass sie diesem verrückten Impuls nachgegeben und ihn einfach umarmt hatte. Ihr war noch immer ganz schwindlig, so innig hatte sich die Umarmung angefühlt, so vertraut und zart.
Sie seufzte. Besser nicht darüber nachdenken. In wenigen Tagen hatte sie ihren Job hier erledigt, und danach würden sich ihre Wege kaum noch kreuzen.
Als sie auf die Terrasse zurückkam, sah Charlie ihr mit ernster Miene entgegen. „Ich sollte gehen“, sagte er.
„Das musst du nicht.“
„Genau genommen doch. Ich habe gleich einen Termin mit meinen Anwälten.“
So bemerkenswert vernünftig Brodie auch mit Charlies Besuch umgegangen war, jetzt war sie froh, dass er diesen letzten Satz nicht gehört hatte.
„Danke. Du warst uns heute eine große Hilfe.“
„Kein Problem.“ Seine Stimme klang merkwürdig, und sie sah ihn prüfend an. Aber er hatte den Blick auf Taryn gerichtet und wirkte schuldbewusst und traurig.
„Bis bald, T.“
„Bis … bald.“ Sie hob die Hand und winkte.
Jacques folgte ihm zum Gartentor und wartete, als wollte er sich davon überzeugen, dass der Junge sicher nach Hause kam.
„Mein Dad war sauer“, stellte Taryn fest.
„Ja.“ Evie ließ sich auf einen Stuhl sinken. „Und er hatte auch allen Grund dazu. Wir hätten ihm sagen müssen, dass Charlie vorbeikommt. Aber ich war einfach zu feige. Warum hast du es nie erwähnt?“
Taryn zuckte mit den Schultern. „Er mag Charlie nicht. Hat ihn noch nie gemocht. Kann er wiederkommen?“
„Fürs Erste schon.“
„Super.“
„Du solltest damit rechnen, dass Charlie vielleicht nicht mehr oft vorbeikommt, Taryn. Ich weiß, es macht dir viel Spaß mit ihm, aber ich kann dir nicht versprechen, dass es so weitergeht. Wenn ich nächste Woche wieder im Laden arbeite, hat die neue Therapeutin vielleicht ganz andere Vorstellungen. Und dein Vater könnte seine Meinung ändern und doch noch verbieten, dass Charlie zu Besuch kommt.“
„Das ist so bescheuert.“
„Es ist überhaupt nicht bescheuert, wenn dein Vater wütend darüber ist, was dir passiert ist. Er liebt dich. Alle Eltern wollen nur eines, nämlich, dass ihren Kinder nichts geschieht. Dein Dad hat das Gefühl, versagt zu haben – und er gibt Charlie die Schuld dafür.“
„Ich sag doch immer wieder … es ist nicht Charlies Schuld.“
Darüber hatten sie bereits gesprochen, und Evie war nicht in der Stimmung, schon wieder davon anzufangen. Deswegen wechselte sie das Thema. „Hey, ich habe eine Idee. Nachdem deine Oma heute Geburtstag hat, könnten wir doch in die Stadt fahren und sie überraschen!“
„Ins String Fever ?“
„Wir halten kurz und fragen, ob Katherine Lust auf ein gemeinsames Mittagessen hat. Wie klingt das?“
„Okay, denke ich.“
Taryn schwieg, als Evie sie ins Badezimmer brachte, damit sie sich Gesicht und Hände waschen und etwas Make-up auflegen konnte.
Die Pflegerinnen kamen inzwischen nur noch zweimal am Tag. Morgens, um ihr beim Duschen und Ankleiden zu helfen, und abends, um ihr Medikamente zu geben und sie ins Bett zu bringen. Da sie sich inzwischen selbst vom Rollstuhl auf andere Stühle hieven konnte, war Taryn in der Lage, das meiste selbst zu erledigen, was eine erhebliche Verbesserung darstellte.
Kurz darauf fuhren sie an der Highschool vorbei, und als Evie in den Rückspiegel sah, bemerkte sie, wie Taryn aus dem Fenster starrte, die Lippen zusammengepresst und mit unglücklichem Blick.
Sie alle konzentrierten sich immer so sehr auf das große Ganze, darauf, dass Taryn ihre körperlichen Funktionen zurückgewann. Darüber vergaßen sie all die kleinen Dinge, die sie verloren hatte. Unterricht, Football-Turniere, Lagerfeuer im Canyon mit Freunden, während die Blätter der Bäume sich bunt verfärbten.
Die Hope’s Crossing Highschool hatte geplant, Lehrer zu schicken, die Taryn helfen sollten, den Stoff vom vergangenen Schuljahr
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