Nur dieser eine Sommer
aus dem Ei schlüpfen. Dazu pickt die kleine Schildkröte mit einem Eizahn von innen die Eierschale durch. Nach dem Schlüpfen verbleiben die Jungen noch einige Tage in ihrem Sandnest, bis das wichtige Eidotter, das ihnen die Energie für den Überlebenskampf liefert, voll und ganz aufgezehrt ist. Zudem muss sich der gekrümmte Rückenpanzer noch etwas strecken.
15. KAPITEL
A m 4. Juli lief den ganzen Morgen der Rasensprenger, um dem Garten den letzten Schliff für die Party zu verleihen. Lange Tische waren gemietet worden, die man auf die wind- und insektengeschützte hintere Veranda stellte und mit hellblauen Papiertischdecken, Pappgeschirr, Plastikbestecken und den frischen Schnittblumen, die Lovie vom Stadtbesuch mitgebracht hatte, dekorierte. Keiner hatte Lust, am Abend schmutziges Geschirr zu spülen, während draußen das Feuerwerk abgebrannt wurde. Cara und Toy zogen Kreppgirlanden in Rot, Weiß und Blau diagonal über die Veranda und verschönerten das Ganze noch, indem sie Luftballons mit dem Sternenbanner darauf in den Ecken aufhängten. Auch weiße Lichterketten durften nicht fehlen, wie es schon immer bei Lovie Sitte gewesen war. Als Kind hatten die Lämpchen Cara stets an Sterne erinnert, und sie hoffte nun, Linnea und Cooper würde es ähnlich gehen.
Gerade suchte sie im Wohnzimmer nach Klebeband, als sie bemerkte, wie ihre Mutter einige Fotoalben auf dem Wohnzimmertisch ausbreitete.
„Was machst du denn da?“ fragte sie.
Lovie blickte von ihrer Tätigkeit auf und lächelte stolz. „Hier siehst du die Früchte meiner Arbeit der letzten Monate. Ein noch nicht abgeschlossenes Projekt. Ich habe endlich eine gewisse Ordnung in sämtliche Familienfotos gebracht. Es hat mich überrascht, wie viele es waren. Sie lagen jahrelang in Schuhkartons herum. Komm, schau sie dir an“, sagte sie, wobei sie auf dem Sofa Platz nahm und zwei Alben aus dem Stapel zog. „Kinderfotos von dir und Palmer. Die hab ich getrennt und jedem von euch ein Album zusammengestellt. Ich dachte, ihr wolltet die Bilder vielleicht behalten.“
Cara setzte sich zu ihrer Mutter auf das dick gepolsterte Sofa mit dem Blumenmuster, griff nach dem Album, auf dem in Goldlettern das Wort „Caretta“ prangte, und fuhr mit der Hand bewundernd über das edle, weiche marineblaue Leder.
„Danke“, erwiderte sie tief gerührt. „Es ist wunderschön!“
Lovie lächelte und nestelte nervös an dem anderen Album herum. Dass ihr die Sammlungen viel bedeuteten, war unschwer zu erkennen.
„Die restlichen Fotos habe ich nach Jahren geordnet in weitere Alben geklebt.“
Cara warf einen Blick auf die auf dem Tisch liegenden Alben, mindestens zehn an der Zahl. Jahrzehnte mussten darin verewigt sein. „So viele Jahre“, flüsterte sie und glaubte plötzlich jedes einzelne ihrer vierzig Lebensjahre zu spüren. „Ein unglaubliche Leistung, die du da vollbracht hast!“
Das Kompliment ließ Lovie erröten. „Noch bin ich nicht fertig“, wehrte sie ab, rückte näher an Cara heran und guckte ihrer Tochter, die nun ihr Album öffnete, über die Schulter.
Cara fand es schön, neben ihrer Mutter zu sitzen, so eng, dass sich beim Umblättern fast ihre Finger berührten. Sie überflogen die eingeklebten Fotos: Cara beim Schwimmenlernen in der Brandung, mit Palmer beim gemeinsamen Angeln, beim Klavierspielen und bei Schultheateraufführungen. Dann ein Bild vom Aufbruch ins Sommercamp, auf dem Cara lachend und weinend zugleich in den Bus stieg, wieder ein anderes, das Cara in allen möglichen Verkleidungen zeigte: beim weihnachtlichen Krippenspiel, zu Halloween und zu Ostern. Die Sammlung repräsentierte die glücklicheren Momente ihrer Kindheit, die Jahre, die später der Zorn verdunkelt hatte.
„Sieh mal, das hier!“ Cara lachte verschmitzt. Ein stolzer Palmer, nicht viel älter als Cooper jetzt, mit stolzgeschwellter Brust und unübersehbarer Zahnlücke und mit beiden knubbeligen Patschehändchen das Steuerruder des Boots umklammernd. „Wie der Vater, so der Sohn!“
Auch Lovie musste lächeln und beugte sich vor, um das Foto genauer betrachten zu können. Sie blätterten weiter, wandten sich dann aber den anderen Alben zu und widmeten sich bedächtig Jahr für Jahr. An die Momente, die auf den Schnappschüssen festgehalten waren, konnte Cara sich noch gut erinnern. Und während die Stunde verflog, begriff sie, dass ihre Mutter nicht nur eine Chronik der Kindheit der Geschwister oder der Familiengeschichte erstellt, sondern gleichzeitig
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