Nur dieser eine Sommer

war?“
    „Weil ich das nicht kann.“
    Sie hätte vor Frust laut aufschreien mögen. „Das heißt also, entweder passiert das, was du willst, oder wir lassen es ganz.“
    Er schaute sie so traurig und niedergeschlagen an – sie hätte losheulen können.
    „Mehr als mein Angebot kann man von einem Mann nicht verlangen. Und deine Antwort kenne ich jetzt. Wir beenden die Unterhaltung also besser. Gute Nacht, Caretta.“
    „Brett …“
    Sie blickte ihm nach, bis er in der Dunkelheit verschwand. Es stimmte. Mehr gab es nicht zu sagen. Der Sand unter ihren Füßen fühlte sich hart und klumpig an, die Nachtluft, ringsum erfüllt von Leben und Geräuschen, war nicht mehr seidig mild, sondern kühl. Irgendwo aus den Dünen erklang das scharfe Knacken von brechenden Zweigen, das Scharren und Huschen von Jägern und Gejagten, das Summen und Zirpen der Insekten. Vom Meer her tönte in mächtigem, schwellendem Auf und Ab das rhythmische Tosen der Brandung.
    Langsam richtete sich Cara auf, schüttelte das Handtuch aus, stopfte ihre Sachen in den mitgebrachten Beutel und schlüpfte in ihre Sandalen. Der Tag war lang gewesen, zu viel war geschehen. Zum Umfallen müde, machte sie sich auf den kurzen Heimweg, auch wenn sie plötzlich das Gefühl hatte, die Beine würden ihr den Dienst versagen. An Schlaf war dennoch wohl nicht zu denken. Auf Cara wartete die längste Nacht ihres Lebens. Sie wusste es.
    Mit den nordatlantischen Meeresströmungen treiben die jungen Schildkröten zu den Inseln vor der westafrikanischen Küste. Zehn oder mehr Jahre bleiben die etwa esstellergroßen Tiere in diesen Gefilden. Werden sie danach erneut in den Gewässern entlang der Ostküste Nordamerikas gesichtet, haben die mittlerweile herangewachsenen Loggerheads erheblich an Gewicht und Körpergröße zugelegt.

22. KAPITEL
    D er Hurrikan erhielt den Namen „Brendan“.
    In seiner für Wirbelstürme typischen Unberechenbarkeit wechselte Brendan fast täglich den Kurs, ließ einen Tag nach, erhöhte dafür am nächsten den Kerndruck und sorgte so dafür, dass die Meteorologen sich die Haare rauften. Allgemein zerrte er an den Nerven aller Bewohner der östlichen Küstenregionen. Noch herrschte auf der Isle of Palms klares Wetter, doch eine bislang unbekannte Spannung lag in der Luft. Cara stand stundenlang nach Tischlerplatten, Nägeln, Batterien, Mineralwasser sowie anderen Materialen und Vorräten für den Notfall an. Sicher ist sicher, lautete die Devise. Fahrzeuge mit Kennzeichen von North Caroline, Ohio, New Jersey, Illinois und anderen Bundesstaaten krochen dicht an dicht über die Verbindungsbrücke hinüber zum Festland.
    „Zumindest ist er bislang nur in Kategorie eins eingestuft“, schnaufte Emmi, die gerade zusammen mit Cara eine dicke Tischlerplatte zur vorderen Veranda von Lovies Haus schleppte.
    „Selbst in der untersten Kategorie bedeutet das eine Windgeschwindigkeit von hundertzwanzig Stundenkilometern“, antwortete Cara, die sich mit dem anderen Ende der Platte abmühte. Die raue Kante grub sich schmerzhaft in die Handflächen. „Wenn der Hurrikan gleichzeitig mit der Flut kommt, dann kriegen wir hier Hochwasser.“
    „Was sagt denn der letzte Wetterbericht? Im Baumarkt hieß es, der Sturm zieht raus aufs Meer.“
    „Mama und Toy sitzen vorm Radio und passen auf, was es Neues gibt.“
    Sie setzten die schwere Holzplatte ab und legten eine Verschnaufpause ein.
    „Gott sei Dank ist die hier die letzte“, sagte Cara und dehnte ihre Arme.
    „Und die Seitenfenster?“
    „Bei denen schließen wir nur die Fensterläden, und zwar erst im allerletzten Moment. Sonst ist es im Haus wie in einem Sarg.“ Der makabre Vergleich ließ Cara erschauern. Zum hundertsten Mal an diesem Tag blickte sie aufs Meer hinaus. Dort draußen schien alles täuschend ruhig zu sein, doch ein schmutziges Grau erstreckte sich am Horizont. Ganz gleich, wie die Wetterwarnungen ausfielen: Cara spürte den heraufziehenden Sturm in allen Nervenfasern. Es lag nicht an konkreten Dingen, nicht an der Temperatur, nicht am Wind oder der Schwüle. Es war vielmehr ein Gefühl, das ihr schwer auf die Brust drückte, das sich nicht abschütteln ließ und ihr das Atmen erschwerte. Und es irritierte sie, dass die Vögel verstummt waren. Selbst die Insekten summten nicht mehr. Eine unheimliche Stille hatte sich über die Insel gelegt.
    Sie schüttelte ihre Müdigkeit ab und konzentrierte sich auf die unmittelbaren Aufgaben. Trödeln kam nicht in Frage, dazu war zu viel