Nur dieser eine Sommer
Wagen gefahren war.“
„Na ja“, unterbrach Emmi, „aber genau das lässt man sich einfallen, wenn man den Verdacht hat, dass der Ehepartner oder die Ehepartnerin fremdgeht. Ich weiß, wovon ich rede.“
„Mama und eine Affäre? Mal ganz abgesehen davon, dass ich den Gedanken absurd finde – wie hätte sie ein Verhältnis beginnen sollen? Sie verließ doch nie das Haus, es sei denn, sie besuchte irgendwelche karitativen Veranstaltungen oder ließ sich zu gesellschaftlichen Anlässen blicken, und dann auch nur mit Daddys Zustimmung. Keinem Mensch wäre es je in den Sinn gekommen, Olivia Rutledge sei isoliert! Dauernd fanden irgendwelche Partys oder Zusammenkünfte bei uns zu Hause statt, und außerdem hatte Mama zahlreiche Funktionen inne. Doch das gestattete Daddy nur, weil es für ihn nützlich war. Richtige Freunde besaß sie nicht, außer Flo. Nicht mal zu ihrer Tochter hatte sie ein gutes Verhältnis.“ Cara schwieg plötzlich und machte ein erschrecktes Gesicht. „Mein Gott, mir fällt gerade auf, wie ähnlich Mama und ich uns sind! Ich habe oben in Chicago auch keine Freunde. Als hätte ich mich absichtlich isoliert und mich in meine Arbeit vergraben.“
„Warum verhältst du dich so?“
„Keine Ahnung. Ein Psychoanalytiker hätte bestimmt seine helle Freude an mir!“
Emmi schien das Ganze noch nicht recht begriffen zu haben. „Aber wieso hat sie sich das gefallen lassen? Sicherlich, sie ist eine nette Frau, deine Mama, aber für wehrlos habe ich sie nicht gehalten!“
„Das ist die große Frage. Es wäre ihr vermutlich schwer gefallen, sich zur Wehr zu setzen. Mit zunehmendem Alter wurde Daddy richtig gemein und unverhüllt aggressiv, besonders unter Alkoholeinfluss. Dann kriegten wir Kinder oben mit, wie er Mama unten anbrüllte und ihr die übelsten Gemeinheiten an den Kopf warf. Und ganz nebenbei, als wär’s aus Versehen geschehen, machte er irgendetwas, an dem sie hing, kaputt, nichts allzu Kostbares zwar, sondern eher etwas wie eine chinesische Porzellanvase oder eine Teetasse. Immer irgendetwas, das von Mamas Familie stammte. Die ganzen Jahre habe ich vermutet, dass sie es hinnahm, weil sie ihn liebte. Und jetzt hat sie mir eröffnet, dass sie ihn die ganze Zeit hasste!“
„Das glaube ich nicht!“ rief Emmi.
„Doch, wirklich!“
„Du wirst es kaum fassen, aber immer, wenn’s zwischen mir und Tom richtig krachte, habe ich mir deine Eltern zum Vorbild genommen. Die führten in meinen Augen die absolute Musterehe. Da sieht man’s mal wieder, man weiß nie, was sich hinter geschlossenen Türen abspielt. Jetzt kommen mir meine Probleme mit Tom vergleichsweise nichtig vor.“
„Ein Seitensprung lässt sich wohl kaum als nichtiges Problem bezeichnen. Rede mit ihm, bevor ihr nichts mehr habt, was euch noch verbindet.“
„Das musst ausgerechnet du sagen! Du gibst doch Brett auch einfach auf! Nur weil ihre beide zu dickköpfig seid, zum Telefon zu greifen!“
„Das ist ganz und gar nicht dasselbe! Im Gegensatz zu euch sind wir keine Verpflichtung eingegangen.“
„Verpflichtung? Der Kerl geht fremd! Was soll das für ’ne Verpflichtung sein?“
„Ihr seid verheiratet. Ihr habt euch Treue gelobt. Ihr habt gemeinsame Kinder. Der Bund fürs Leben!“
Emmi betrachtete ihre Hände und nestelte an ihrem Ehering herum.
„Vielleicht gefällt mir deshalb das Single-Dasein so gut“, mutmaßte Cara. „Keine Zwänge. Ich bin ungebunden und kann gehen, wann es mir passt.“ Sie verstummte und schaute auf, als sei ihr gerade etwas eingefallen. „Mist“, murmelte sie.
„Lass mich raten“, sagte Emmi. „Du hast deshalb mit Heirat nichts am Hut, weil du nicht in den gleichen Schlamassel wie deine Mutter geraten willst! Stimmt’s?“
Caras schwieg betreten.
„Mein Schatz, wenn es zwei Menschen gibt, die unbedingt miteinander reden müssen, dann dich und Lovie! Ihr habt einiges aufzuarbeiten. Und ich an eurer Stelle würde mich beeilen!“
Die Schwüle wurde immer unerträglicher; die Fliegen verhielten sich immer aggressiver. Cara verscheuchte ein besonders hartnäckiges Insekt. „Ich will sie nicht aufregen. Jedenfalls nicht jetzt.“
„Es geht hier nicht darum, ob du deine Mutter aufregst. Zur Abwechslung solltest du mal an dich selbst denken.“
„Gerade unter diesen Umständen möchte ich nicht egoistisch erscheinen.“
„Das hat mit Egoismus nichts zu tun. Immer hast du dich nur dem Beruf gewidmet, und nun kümmerst du dich um deine Mutter. Wann endlich nimmst
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