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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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Kurs ‚Fischereiwesen und Naturschutz‘. Hin und wieder verabredeten wir uns. Sie war ein kluges Mädchen, alles andere als eine Partynudel. Ein bisschen so wie du früher. Sie wollte mal Försterin werden. Ein Rendezvous mit ihr sah so aus, dass man in die Natur zog und Proben nahm.“ Er lachte bitter auf und verstummte, offenbar wieder tief in Erinnerungen versunken. Cara wartete geduldig.
    „Eigentlich war ich damals kein so übler Kerl“, erzählte er weiter, „dafür aber ein tollkühner Heißsporn. Ich ging jedes Risiko ein und fackelte auch nicht lange. Ein Sprung von einer Brücke? Da brauchte ich nicht lange zu überlegen. Es war mir auch piepegal, wenn ich meinen Pick-up in einen Fluss oder See setzte oder mich damit um einen Baumstamm wickelte, weil ich auf nasser Fahrbahn ins Schleudern geraten war. Hauptsache, es machte Spaß! Daher auch mein sportlicher Ehrgeiz. Mit dem Motorboot immer ran an die dicken Pötte, lebensgefährlich nah ran, viel zu nah für so einen draufgängerischen Jungspund, wie ich es damals war. Ich hätte von der Bugwelle erfasst und unter das Schiff gedrückt werden oder in den Sog der Schraube geraten können! Irgendwann bekam mein Alter Wind von meinen Mätzchen, weil’s ihm ein Lotsenkollege steckte. Das war das einzige Mal, dass mein Vater mir eins hinter die Löffel gab. Und verdient hatte ich es! Ich war nämlich nicht allein an Bord des Bootes gewesen.“
    Er legte eine kurze Pause ein und fuhr dann fort: „Allerdings ging’s auch schon mal daneben: ein Beinbruch, zwei Armfrakturen, einige Zehen und Finger gequetscht oder gebrochen. Zog ich meine Lehren daraus? Mitnichten. Ich war nur noch stärker davon überzeugt, dass mir nichts und niemand etwas anhaben konnte. Ich hielt mich für unsterblich. Heute weiß ich nicht mal mehr, wie ich eigentlich die Highschool überstanden habe. Und als ich schließlich mein Studium aufnahm, war ich fast jede Nacht voll. Ehrlich, ich glaubte felsenfest daran, dass ich im alkoholisierten Zustand besonders gut Auto fuhr, meinte sogar, ich hätte dafür ein besonderes Geschick. Wenn ich heute über diesen egozentrischen Irrsinn nachdenke, schwitze ich Blut und Wasser vor Angst.“
    Er kratzte sich am Kopf. „Ashley allerdings bekam diesen Zug von mir nie mit. In ihrer Gegenwart benahm ich mich völlig anders. Ironischerweise war ich stocknüchtern, als sich der Unfall ereignete. Wir befanden uns auf der Rückfahrt vom Labor des Umweltministeriums. Es war helllichter Tag, und ich hatte es keineswegs eilig, ging die Kurve auch in recht gelassenem Tempo an, aber ein entgegenkommender Truck geriet zu weit auf die Gegenfahrbahn und kam direkt auf uns zugedonnert. Ich versuchte noch ein Ausweichmanöver, geriet ins Schlingern, das Motorrad brach aus und rutschte flach auf den Seitenstreifen, ich mit. Ashley aber wurde von der Maschine geschleudert. Wäre sie einfach auf dem Boden gelandet, dann hätte sie zwar Blessuren davongetragen, jedoch überlebt. Aber das Schicksal meinte es an jenem Tag nicht gut mit uns. Sie prallte gegen die riesige alte Eiche da vorn und war auf der Stelle tot.“
    „Das tut mir aufrichtig Leid, Brett.“
    Er nickte dankbar und blickte zur Eiche hinüber.
    „Du darfst dir keine Vorwürfe machen. Es war ein Unfall. Du hast mir doch berichtet, dass du nicht betrunken warst.“
    „Das sagt sich so leicht! Ich hatte lange daran zu knabbern. Ich glaubte, dass Glück habe mich verlassen, nachdem ich lange genug das Schicksal herausgefordert hatte und immer mit knapper Not davongekommen war. Diesmal, so dachte ich, war ich dran und musste zahlen. Aber nicht ich zahlte die Zeche, sondern Ashley. Ich weiß, ich kann von Glück reden, dass ich überhaupt noch am Leben bin. Ich weiß aber auch, dass das Schicksal genauso sicher den Tag und die Stunde für mich bereithält, wie es bei Ashley am 2. September 1984 der Fall war.“
    „Das ist ja das Datum von heute!“
    Er nickte. „Ja. Dass dieser Richard hier auftauchte, hat mich an sich gar nicht so gestört. Aber musste er ausgerechnet heute antanzen! Das habe ich als Drohung aufgefasst – nicht von ihm, sondern als Drohung des Schicksals. Ich befürchtete, ich verlöre erneut jemanden, der …“ Er machte eine kurze Pause und holte tief und heftig Luft. „… der mir viel bedeutet.“
    Cara griff nach dem Reißverschluss seiner Lederjacke und öffnete ihn, und dann schlang sie Brett die Arme um den Hals, schmiegte sich an ihn, ließ ihn ihre Wärme und ihren Atem

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