Nur dieser eine Sommer
gewehrt. Jetzt ist der Zug wohl abgefahren.“
„Ja, Menschenskind, wir sind doch aber keine Dinosaurier! Mit vierzig ist man doch noch jung! Es passiert sogar häufig, dass Vierzigjährige zum ersten Mal schwanger werden!“
„Fang um Gottes willen nicht vom Kinderkriegen an! Das fehlte mir heute gerade noch!“
„Du willst keine Kinder? Absolut nicht?“
„Komisch, aber vor diesem Sommer habe ich mich nie mit dem Thema auseinander gesetzt. Doch jetzt bin ich zu einer Entscheidung gelangt: Nein, ich glaube nicht. Versteh mich nicht falsch, ich mag Kinder. Ich habe Linnea und Cooper zum Fressen gern. Aber selbst welche zu bekommen, den Drang verspüre ich einfach nicht.“
„Tatsächlich?“ Emmi überlegte kurz. „Na ja, aber dass du keine Kinder möchtest, das spricht ja nicht per se gegen eine Heirat!“
„Brett scheint sich aber wohl nach Nachwuchs zu sehnen.“
„Hast du schon mal mit ihm darüber gesprochen?“
„Nein.“
„Na, also!“ verkündete Emmi.
„Warum soll ich darüber mit ihm reden, wenn ich nicht mal Heiratsgelüste verspüre? Im Übrigen geht’s in erster Linie nicht um Sprösslinge, sondern um meinen Beruf, um mein Heim in Chicago, um mein gewohntes Leben.“
„Die Antwort kommt ja wie aus der Pistole geschossen!“
„Ich tauge eben nicht zur Ehefrau.“
„Was hast du eigentlich gegen die Ehe? Deine Eltern waren doch viele Jahre verheiratet!“
Cara schloss kurz die Augen. Sie und Emmi waren sich während der vergangenen Wochen näher gekommen, und Emmi hatte bezüglich ihrer Ehekrise kein Blatt vor den Mund genommen. Sie waren schließlich keine albernen, knutschenden Teenager mehr, sondern erwachsene Frauen mit entsprechenden Problemen. Cara sah deswegen keinen Sinn mehr darin, der Freundin ihre Familiengeschichte noch länger zu verheimlichen.
„Ich raube dir nur ungern deine Illusionen, doch gerade die Ehe meiner Eltern ist einer der Gründe für meine Abneigung gegenüber der Institution an sich.“
„Wie meinst du das? Die waren doch das glücklichste Paar weit und breit!“
„Eine Farce, sonst nichts. Alles nur Show. Sie haben sich das Leben zur Hölle gemacht.“
Emmi war geschockt. „Ach, geh weg! Ehrlich?“ Den Mund weit offen vor Verblüffung, starrte sie Cara an, die nur nickte. „Und das sagst du mir erst jetzt?“
„Ach, wie oft ich dir das schon anvertrauen wollte! Aber Familienloyalität bei uns, das hieß: kein Sterbenswörtchen über Interna nach draußen.“ Sie nippte an ihrem Tee, unschlüssig, wie weit sie bei dieser Beichte gehen sollte. „Ob sie von Anfang an eine unglückliche Ehe führten, weiß ich nicht. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie sich je gefetzt hätten, als ich ein kleines Mädchen war. Damals wirkten sie wie ein Herz und eine Seele. Doch dann, etwa zu dem Zeitpunkt, als wir zwei uns anfreundeten und ganze Sommer hier im Strandhaus verbrachten, begann es. Daddy ließ sich nur noch selten blicken. Er beachtete Mama nicht mehr, hörte ihr nicht mehr zu, verhielt sich ihr gegenüber aggressiv und behandelte sie herablassend. Und das steigerte sich nach und nach bis hin zur Gewalt.“
„Nein! Das glaube ich nicht! Nicht deine Eltern!“
Cara sprach die Dinge zum ersten Mal laut aus, musste sie einfach loswerden, sich jemandem anvertrauen, bevor es sie innerlich zerriss. „Damit meine ich nicht direkte Handgreiflichkeiten. Es war heimtückischer – so eine Art seelische Folter. Dauernd gab er ihr das Gefühl, dumm zu sein, insbesondere in Geldangelegenheiten. Er vertrat die Einstellung: Männer haben das Sagen, Frauen sind zum Dienen da. Unfassbar, was? Erlaubte sie sich mal eine eigene Meinung, machte er sich über sie lustig. Oder er rastete aus, wenn sie mal was äußerte, was ihm nicht passte. Schließlich traute sie sich kaum noch, etwas zu sagen.“
„Dabei ist sie doch so lebhaft und aufgeschlossen!“
„Nur hier im Strandhaus. Du hast sie nie in Gegenwart meines Vaters erlebt. Da war sie ein ganz anderer Mensch. Damals ist es mir nicht aufgefallen, aber irgendwann hat er über ihr Geld und ihre Immobilien bestimmt, und zwar mit der Begründung, Geschäftliches sei Männersache. Und dann zeigte er sich ihr gegenüber ausgesprochen knauserig! Speiste sie mit Almosen ab, zwang sie dazu, ihn um mehr Haushaltsgeld zu bitten, schaute ihr permanent auf die Finger. Nach und nach ging er sogar zu ganz merkwürdigen Sachen über, kontrollierte die Tankuhr im Auto oder sah nach, wie viele Kilometer Mama mit dem
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