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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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diese Wetterlage bedeutete.
    Am selben Abend stand Toy auf der Veranda und schaute, wie landauf, landab fast jedermann an der Küste, aufs Meer hinaus. Eine Sturmfront zog vor der untergehenden Sonne auf. Schemenhaft schoben sich bläulich-dunkle Gewitterwolken dräuend über die weite Wasserfläche und überlagerten die dünnen, im Abendschein flammend orangerot leuchtenden Wolkenschichten. Das Licht fiel fächerförmig vom Himmel wie Finger, die nach der Insel griffen. Toy erschauerte.
    Sie atmete mehrmals tief durch und massierte sich in kreisenden Bewegungen den Bauch. Schneller als ein Wirbelsturm schwirrten ihr die Gedanken durch den Kopf. Ihr blieb keine Zeit mehr; sie musste sich entscheiden. Jetzt, an diesem Abend noch. Darryl hatte in heller Aufregung angerufen und am Telefon herumkrakeelt, dass die Mutter aller Wirbelstürme sich direkt auf Charleston zubewege und dass die Jungs aus der Band beschlossen hätten, sich schleunigst aus dem Staub zu machen, ehe der Sturm losbrach.
    „Die kümmern sich nur um sich, die Arschlöcher! Aber so bin ich nicht! Du bist mir nicht egal, und ich werde den Teufel tun und dich auch nur noch eine Minute länger da draußen sitzen lassen! Verstanden? Nichts wie runter mit dir von dieser Scheiß-Insel! Da kommt ein mordsmäßiger Taifun angewirbelt! Also, pack deine Sachen! Ich komme rüber und hole dich ab, und dann wollen wir doch mal sehen, ob wir uns von ’ner alten Dame aufhalten lassen!“
    Toy versuchte, tief und ruhig Luft zu holen, weil ihr schon wieder so ein Zucken vom Brustbein direkt bis in die Gebärmutter fuhr. Wie ein nasser Mantel legte sich die feuchtheiße Luft über sie; die drückende Schwüle war mit Händen zu greifen. Eigentlich sollte das Baby erst in zwei Tagen kommen, doch der Sturm schien es ihr jetzt schon aus dem Leib pressen zu wollen. Ihr war, als hätte sie eine Bowlingkugel verschluckt. Vielleicht waren’s aber auch nur die Nerven. Mein Gott! Und wenn sie das Baby im Auto zur Welt brachte?
    Sie spürte, wie ihr zum x-ten Mal seit Darryls Anruf die Tränen in die Augen stiegen. Sie musste mitfahren. Außer Darryl hatte sie doch keinen Menschen! Er war der Vater ihres Kindes, und sie musste ihm doch noch eine Chance geben, das war das Mindeste! Auch wenn sie ihn nicht mehr liebte. Sie wollte es trotzdem noch einmal mit ihm versuchen. Außerdem blieb ihr ohnehin nichts anderes übrig.
    Drüben an der Wand, wo die Fenster verbarrikadiert waren, drang Licht durch die schmalen Schlitze zwischen Fensterrahmen und der dicken Platte vor Miss Lovies Fenster. Toy trat dicht heran und legte das Ohr an das Holz. Anscheinend verfolgten Miss Lovie und Cara den Wetterbericht im Fernsehen. In einem fort faselte der Wetterfrosch über den Wirbelsturm, wie schon den ganzen Tag über. Brendan war mittlerweile auf Kategorie zwei hochgestuft worden und verwüstete momentan die Bahamas. Der Moderator sprach hektisch; allein schon vom Zuhören wurde Toy ganz nervös. Aber sie begann sich erst zu fürchten, als Cara Miss Lovie aufgeregt mitteilte: „Wirbelsturmwarnung für den ganzen Bezirk Charleston! Augenblick! Verdammt! Man erwägt eine Zwangsräumung der Inseln!“
    „Nur keine Panik! Wir haben noch reichlich Zeit“, vernahm Toy Miss Lovies Stimme. Sie klang relativ gelassen.
    „Am besten reisen wir gleich morgen früh ab“, meinte Cara. Toy trat vom Fenster zurück. Deshalb war Darryl also derart daneben! Schützend legte sie die Hände über ihr ungeborenes Kind. Sie hatte schreckliche Angst – um sich, um ihr Kleines, um Miss Lovie und Cara. Wie gern wäre sie ins Haus gegangen, hätte sich zu Miss Lovie ans Bett gesetzt und von ihr gehört, dass sie alle gemeinsam aufbrechen würden, dass alles gut verlaufen werde!
    Doch Gespräche, die gab es nun nicht mehr. Kein Tratsch beim Frühstückskaffee, kein abendliches Albern auf der Veranda, keine Miss Lovie, die nachsichtig Grammatikfehler berichtigte, keine Cara, die bei den Hausaufgaben half. Beide hatten so eine nette Art gehabt, ihr etwas beizubringen; sie war sich nie dumm vorgekommen, sondern hatte sich immer wohl dabei gefühlt. Toy legte die Hand gegen die Holzwand und schmiegte die Wange ans Holz.
    „Adieu, Miss Lovie“, flüsterte sie. „Lebewohl, Caretta Caretta.“
    Sie hätte sich schrecklich gern persönlich verabschiedet, wie es in richtigen Familien üblich ist. Doch das ging natürlich nicht. Eine richtige Familie waren sie ja nicht. Die beiden hätten auch nicht verstanden, dass

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