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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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drückte ihr auf die Lungen wie ein nasses Tuch.
    „Ich hole dir den Sauerstoff“, flüsterte Cara heiser, richtete sich zerschlagen auf und schwang die Beine aus dem Bett.
    Ihre Füße landeten bis zu den Knöcheln in Wasser.
    „O Gott!“ schrie sie auf und zog reflexartig die Beine an. Am ganzen Leibe zitternd, wurde sie mit einem Schlage hellwach und versuchte zu begreifen, was passiert war. Die Augen vor Entsetzen geweitet, bibbernd und mit hämmerndem Puls kauerte sie auf dem Bett. Durch die ringsum herrschende Finsternis drang das Gurgeln und Schwappen der Fluten, das Poltern und Scheppern von im Wasser treibenden, aneinander stoßenden Gegenständen, das Knacken und Knirschen des Gebälks, wenn das Haus unter der Gewalt von Wind und Wellen schwankte und erzitterte. Sie hatten keine Chance mehr, das war das Ende! Sie konnte kaum noch denken.
    Noch nicht, verdammt noch mal, meldete sich plötzlich ihr Überlebenswille.
    „Mama! Wach auf!“
    „Was? Was ist denn?“
    „Wasser! Das Haus ist überschwemmt!“
    „Wie bitte?“ kreischte Lovie.
    „Bleib liegen!“ Die Dunkelheit verstärkte ihre Todesangst. Licht musste her! Ihre Hände zitterten so heftig, dass sie ihr kaum gehorchten und Cara nur fahrig auf dem Nachttisch herumtasten konnte. Von draußen ertönte ein berstendes Krachen, als würde vorn ein Stück des Hauses fortgerissen. Neben ihr wimmerte ihre Mutter. Endlich stieß Cara an die Taschenlampe, die sie nun umklammerte wie einen Rettungsring. Sie knipste das Licht an, und abgrundtiefe Erleichterung überkam sie, als der Strahl die Finsternis durchbohrte und man wieder etwas sehen konnte.
    Sie ließ den Lichtstrahl durchs Zimmer wandern. Das Bett war eine Insel inmitten eines schwarzen, schwappenden Sees von mehreren Handbreit Höhe. Cara starrte sprachlos auf die Wassermassen. Schuhe, die Plastikbehälter, Kleidungsstücke, Stühle – alles trieb umher wie Kinderspielzeug in einer Badewanne.
    Cara spürte, wie Lovie sich an ihr festkrallte. „Das muss die Sturmflut sein“, flüsterte ihre Mutter. „Haben wir Ebbe oder Flut?“
    Cara wusste es nicht und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Man konnte regelrecht zuschauen, wie das Wasser weiter stieg, Zentimeter für Zentimeter. „Wir müssen hier raus!“
    „Wohin denn? Wir kommen doch nicht mehr weg!“
    „Auf den Dachboden!“
    „Das Haus hat keinen! Dort oben ist nur ein niedriger Hängeboden!“
    „Dann müssen wir eben dorthin! Los, Mama, man kann nicht sagen, wie hoch das Wasser noch steigen wird! Hoffentlich müssen wir nicht noch aufs Dach! Lass mich überlegen …“ Sie ließ den Lichtkegel der Taschenlampe durch den Raum gleiten, hielt Ausschau nach ihren Notvorräten. Der Koffer trieb zwar im Wasser, doch mit etwas Glück waren einige Sachen darin vielleicht noch trocken. Bäuchlings auf dem vom Wasser umfluteten Bett liegend, streckte sie ihren Körper so weit aus, dass sie den schwimmenden Koffer mit den Fingerspitzen greifen und zu sich heranziehen konnte. Von dem Tischchen an der anderen Bettseite nahm sie die zweite Taschenlampe und gab sie ihrer Mutter. „Guck nach, ob noch trockene Sachen im Koffer sind! Ich suche mein Werkzeug zusammen und sehe zu, dass ich möglichst viel rechtzeitig nach oben verfrachte. Beeil dich!“
    „Die Eier! Cara, das Gelege!“
    „Ja, ja! Ich kümmere mich darum!“
    Sie blickte auf die schwarze Brühe hinunter. Gut, dass ich den Hauptschalter am Sicherungskasten umgelegt habe, dachte sie noch, holte tief Luft und setzte den Fuß in den See. Das Wasser, lauwarm wie Blut, reichte ihr bis über die Knöchel, ging fast bis hinauf zu den Knien.
    „Du wartest hier“, wies sie Lovie an und watete auf die Tür zu. Sie befürchtete, dass eine Riesenwelle über sie hinwegbrechen könnte, sobald sie die Tür öffnete. Cara schickte ein Stoßgebet zum Himmel, hielt den Atem an und riss die Tür auf. Zwar spürte sie eine deutliche Wellenbewegung um die Waden herum, doch Gott sei Dank, die Flutwelle blieb aus. Der Flur wirkte wie ein unter Wasser gesetzter schwarzer Tunnel, und während sie ihn durchquerte, kam sie sich vor wie in der Geisterbahn eines makabren Vergnügungsparks, wo ihr jeden Moment ein schleimiges oder glitschiges Ekelwesen entgegenspringen konnte. Sie hätte vor Erleichterung fast geweint, als sie endlich das Seil erreichte, mit dem sich die Zugklappe zum Dachboden mit der auf der Oberseite angebrachten Schiebeleiter herunterholen ließ. Sie klappte die Stiege

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