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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Alice Monroe
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Liste. Listen waren eine Marotte von ihr, je länger, desto besser. Listen brachten Ordnung in Caras Gedanken und vermittelten ihr das Gefühl, das Chaos zu beherrschen. Und so legte sie nun ihre Prioritäten fest, indem sie sich umschaute und das schleichende Entsetzen, das sie angesichts der Ausmaße der zu bewältigenden Aufgabe beschlich, einfach ignorierte. Mit flotter Hand brachte sie ihre Ideen zu Papier, bemüht, die Fantasie nicht mit sich durchgehen zu lassen. Auf dem Blatt reihten sich im Handumdrehen 19 Punkte, die dringend erledigt werden mussten.
    Schwungvoll schloss sie die Liste ab und fühlte sich mit einem Schlage wieder wie jemand, der eine sinnvolle Aufgabe anpackt. Sie stopfte den Zettel in die Hosentasche und zog Lovies alte Gartenhandschuhe über, dicke, professionell aussehende Dinger, in denen man sich wie ein echter Gärtner vorkam. Zuerst wollte sie das Gerümpel wegräumen, um Platz zu schaffen für spätere Vorhaben.
    Der Morgen verflog im Nu. Gegen Mittag hatte Cara den Großteil des Trödels unter der Veranda entfernt, den Raum darunter sauber gefegt und den abgeräumten Sperrmüll zu zwei Haufen aufgestapelt. Der größere sollte in einem eigens bestellten Container landen. Der kleinere bestand aus allerlei alten Malutensilien, rostigen Gartengeräten, klapprigen Liegestühlen und anderem zerbrochenen Zeugs, das hoffentlich in die Mülltonne wandern würde, falls Lovie grünes Licht gab. Gerade schleppte Cara ächzend und prustend einen schwergewichtigen und total verrosteten alten Ventilator zum größeren der beiden Stapel, als sie hinter sich die Stimme ihrer Mutter vernahm.
    „Den willst du doch nicht etwa wegschmeißen, oder?“
    Cara wankte noch die letzten paar Schritte und ließ das unglaublich schwere Ungetüm zu Boden plumpsen. Vornüber gebeugt verschnaufte sie einen Moment, die Hände auf die Knie gestützt, und als sie den Kopf wandte, sah sie, wie Lovie beunruhigt die beiden Müllberge beäugte.
    „Doch, Mama“, erwiderte sie mit trockenen Lippen. „Weg damit! Ist eh alles Schrott!“
    „Aber der funktioniert doch noch! Meinst du nicht, den könnte noch jemand gebrauchen? Oder vielleicht sollten wir ihn der Wohlfahrt schenken?“
    „Diesen Krempel kann man doch niemandem mehr anbieten! Da kommt ja die Reparatur teurer als ein Neukauf!“
    Händeringend betrachtete Lovie nach wie vor den Schrotthaufen. „Das alles soll weg?“
    Cara hätte losheulen können. Sie hatte den ganzen Morgen wie ein Pferd geschuftet und auf ein klein wenig Dankbarkeit gehofft, nicht auf hinhaltenden Widerstand. Wie auch immer, hier war Fingerspitzengefühl gefordert. Wenn es ums Ausrangieren von alten Schätzen ging, konnte ihre Mutter sehr unangenehm werden. Früher hatte sie immer fast einen Koller gekriegt, wenn man Lackdosen, in denen sie noch letzte brauchbare Farbreste vermutete, mit dem Müll hatte entsorgen wollen.
    „Das Zeugs hier draußen brennt doch wie Zunder, vom Anblick ganz zu schweigen. Ein Schandfleck!“ Cara legte Lovie den Arm um die zerbrechlichen, eingesunkenen Schultern. „Warte ab, bis ich fertig bin. Dann wirst du erkennen, was ich vorhabe! Was
wir
vorhaben! Da wir doch den ganzen Sommer zusammen verbringen – was liegt da näher, als das Haus wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen? Würde dir das nicht Spaß machen? Erinnerst du dich noch daran, wie schön es hier an Sommerabenden war? Schwärme von Schmetterlingen flatterten hier herum!“ Mit dem Arm beschrieb sie einen Bogen, der den ganzen Garten einschloss. Vor ihrem geistigen Auge tauchten die Wildblumen auf, die früher die Dünen bedeckt hatten. „Ich habe Folgendes vor: Ich reiße das ganze hässliche Gestrüpp heraus, beschneide die Büsche, buddele das alte Wurzelwerk aus, und wenn du möchtest, kannst du danach neue Rosensträucher pflanzen. Deine Rosen – weißt du noch?“
    Lovies Miene entspannte sich, und der Anflug eines Lächelns spielte um ihre Lippen. „Es wuchs mir einfach alles über den Kopf. Ich hab’s noch mit Gießen versucht …“
    „Schon gut, schon gut! Es musste dir ja mal zu viel werden“, beschwichtigte Cara, bevor Lovie noch mehr in Nostalgie versank. „Ich habe zwar keine Ahnung, ob ich das alles allein schaffe, aber ich werde tun, was in meinen Kräften steht. Und für das, was ich nicht selbst bewältigen kann, lasse ich jemanden kommen.“
    „Da bürdest du dir aber eine gewaltige Last auf, Cara!“ Lovie hielt kurz inne und legte den Kopf schräg.

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