Nur dieser eine Sommer
„Mit Gartenarbeit kennst du dich nicht besonders aus, oder? Als Kind fehlte dir immer die Geduld dafür. Wenn ich dich mal bat, das Unkraut zu jäten, hast du stets protestiert.“
Cara lachte. „Ich hatte gehofft, dass es so wie mit den Schildkröten gehen würde: Du bringst es mir bei. Hast du schon mal die Theorie von Tolstoi und dem Fahrradfahren gehört? Da staunt man Bauklötze! Er hat nämlich erst Radfahren gelernt, als er so alt war wie du. Da werde ich doch wohl noch das Pflanzen lernen!“
Lovies Augen leuchteten auf. „Ja, bestimmt! Hast du denn wirklich Interesse?“
„Aber klar.“
„Ich besitze einen ganzen Stapel Gartenliteratur. Fachbücher, die du lesen kannst.“
„Hoffentlich hast du auch welche mit schönen Fotos, damit ich alle Pflanzen erkennen und auseinander halten kann! Die Anleitungen allein klingen nach einiger Zeit nämlich alle gleich. Wenn ich aber das Bild sehe, dann bleibt es mir im Gedächtnis.“
„Sei unbesorgt, ich helfe dir!“
Caras Begeisterung wuchs angesichts der Tatsache, dass Lovies Entsetzen nunmehr in Enthusiasmus umschlug. „Ich überlege auch, ob wir nicht die Veranda erneuern sollten. Stellenweise ist das Holz so morsch, dass ich befürchte, ihr könntet eines Tages glatt durch den Boden sacken, du oder Toy! Und das Haus braucht unbedingt einen neuen Anstrich. Meinst du, du kannst irgendwo die Originalfarbe mit dem ursprünglichen Gelbton auftreiben?“
Lovie nickte und schaute zur Mülltonne hinüber, neben der zahlreiche Farbdosen lagen. „Unter den Dosen müsste eine mit der Artikelnummer für die Farbe sein. Deshalb werfe ich nichts weg. Man kann nie wissen, ob man es nicht noch einmal braucht!“
Cara verdrehte die Augen. „Heutzutage reicht ein abgeblätterter Farbschnipsel, um den Farbton zu bestimmen. Und die Fensterläden streichen wir in Charleston-Grün, dachte ich. Es sei denn, du möchtest orkansichere Läden!“
„Pläne über Pläne, Cara! Das wird bestimmt sehr kostspielig! Und Palmer hält den Daumen auf der Schatulle!“
Bei der Vorstellung, dass ihr Bruder mit Lovies eigenem Geld derart knauserig verfuhr, geriet Caras Blut in Wallung. Allerdings wollte sie die Stimmung jetzt nicht durch eine Diskussion über Palmers Verhalten verderben. „Ach, zerbrich dir übers Geld nicht den Kopf“, wehrte sie ab. „Ich hab die Kosten bereits überschlagen und übernehme sie.“
„Ich kann von dir, wo du doch entlassen bist, kein Geld akzeptieren! Du hast doch jetzt keine Einkünfte. Zumindest momentan nicht!“
„Aber ich möchte es dir schenken. Bitte, Mama, lehn es nicht ab! Es würde mir eine solche Freude bereiten.“
Lovie hob das Kinn. Ihr Blick schweifte durch ihren von Wüstenkraut überwucherten Garten, glitt über die weichen Linien des Häuschens hin zum großen Haufen Trödel in der Einfahrt und verweilte auf dem Gesicht ihrer Tochter. Cara hatte Farbe bekommen. Die Blässe aus den Tagen nach ihrer Ankunft war gewichen, die mahagonibraunen Augen strahlten nach der Anstrengung an der frischen Luft. Lovie konnte es kaum glauben: Ihre Tochter wollte etwas für
sie
tun!
„Ich weiß sowieso nicht, weshalb ich an dem ganzen Krempel hänge“, sagte sie. „Es gibt eine Menge wichtigere Dinge, die einem etwas bedeuten sollten.“ Man sah, dass sie in Gedanken weit fort war. „Und es wäre schön, wenn hier alles noch einmal in altem Glanz erstrahlt, bevor ich …“ Sie verstummte und rang sich ein Lächeln ab. Dann fuhr sie fort: „Ja, das wäre wirklich schön!“
Cara musste sich abwenden, sonst hätte Lovie bemerkt, dass ihr Tränen in den Augen standen. „Kommst du mal her, Mama? Das hier solltest du dir angucken!“ Cara ging voraus zur Vorderseite des Hauses. Entlang der Hausfront wuchs eine Reihe alter, dürrer Oleanderbüsche, welche die ganze Düne beherrschten. Cara ergriff einen der großen Zweige und zog ihn von einem der Stützpfosten weg, auf denen die Veranda ruhte.
„Ich war gerade beim Jäten von Unkräutern, deren Wurzeln offenbar geradewegs bis nach China reichten. Da stieß ich neben einer schwarzen Schlange, die mich fast zu Tode erschreckte, auch auf das hier.“ Sie bog den Zweig noch weiter zurück, wobei sie sichtlich außer Atem geriet, und bedeutete ihrer Mutter mit einer ruckartigen Kopfbewegung, näher zu kommen. „Schau dir das an!“
Lovie tastete sich um den widerspenstigen Busch herum und spähte in die angezeigte Richtung. Um die zerbrochenen Sparren eines Spaliers wand sich eine
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