Nur dieses eine Mal
eben suchen gehen. Die wenigen Meter schienen sich endlos hinzuziehen.
Verdammt, wieso war sie so schwach?
Erleichtert legte sie eine Hand auf die Klinke und drückte sie runter. Die Tür rührte sich nicht. Sie versuchte es wieder und wieder, aber sie ließ sich weder aufziehen noch drücken.
Hatte man sie eingesperrt wie ein kleines, unmündiges Mädchen? Verärgert ballte Cady die Hand zur Faust und hämmerte gegen das Holz.
„Hallo? Hallo! Ich bin wach. Aléjandro!“
Sie presste die Wange gegen das Holz und vernahm Schritte, die näher kamen. Es war also doch jemand da.
Was war hier eigentlich los?
Kaum hatte sich der Schlüssel im Schloss gedreht, öffnete sich die Tür langsam und Cady trat einen Schritt zurück, um Aléjandro mit dem entsprechenden Kommentar zu empfangen. Die Worte blieben ihr im Halse stecken, als sich eine ihr unbekannte Frau von etwa fünfzig durch den Türspalt schob.
Irritiert musterte Cady sie. Das rotblonde Haar war von zarten silbernen Fäden durchzogen und im Nacken zu einem lockeren Knoten geschlungen. Eine sehr aparte Frau, eher zart im Körperbau, und mit stechendem Blick.
„Wer sind Sie?“
„Ihre Gastgeberin“, erwiderte ihr Gegenüber. Das Lächeln, das auf ihren Lippen lag, erreichte nicht ihre braunen Augen und in Cady machte sich Unwohlsein breit. Eine Hand schützend über ihren Bauch gelegt, beäugte sie die Fremde unter zusammengezogenen Augenbrauen. „Nennen Sie mich Meredith.“
„Wo ist Aléjandro?“, wollte Cady wissen. Meredith zuckte mit den Schultern und schürzte die Lippen.
„Zu Hause nehme ich an“, erwiderte sie. „Und bevor Sie fragen, er wird Sie hier nicht aufsuchen.“
Cady furchte die Stirn.
Was sollte das heißen?
„Wo bin ich hier?“
„Nennen Sie es doch für eine Weile Ihr Zuhause“, gab Meredith in fast sanftem Ton zurück. Langsam war Cady dieses Geschwätz leid. Wenn das irgendeine Art von Sanatorium war, konnte Aléjandro was erleben. Niemand bestimmte auf diese Weise über ihr Leben.
„Das ist es gewiss nicht“, erwiderte sie und machte einen Schritt auf Meredith zu. „Lassen sie mich vorbei.“
Die Ältere drängte sich an die Tür und schüttelte den Kopf
„Sie gehen hier nicht raus, Cady. Nicht bevor mein Liebling entschieden hat, was mit Ihnen passieren soll.“
Ihr Liebling?
„Was?“
„Der Brand hat Sie zu A. J. getrieben, also habe ich mir gedacht, dass härtere Maßnahmen notwendig sind, um Sie hierher zu bekommen.“
Cadys Nasenflügel bebten.
Was wusste sie von dem Brand?
Hatte sie Cadys Haus angesteckt?
Härtere Maßnahmen?
War sie für Caramels Tod verantwortlich?
Neben dem Schmerz und der Trauer, die sich in ihr vereinten, verspürte sie plötzlich heißen Zorn und in ihr reifte eine Erkenntnis, die eigentlich zu verrückt war, um real zu sein.
„Sie haben mich entführt?“
Es war eher eine Feststellung, als eine Frage, aber Meredith lächelte zustimmend.
„Ich gewähre Ihnen Gastfreundschaft“, erwiderte sie. „Natürlich wird es Ihnen hier an nichts fehlen.“
Cady hörte ihr gar nicht mehr zu, sondern musterte Meredith mit erhöhter Intensität und in Cadys Kopf überschlugen sich die Gedanken. Meredith war gut zehn Zentimeter kleiner als sie selbst, von zierlicher Statur und wirkte alles andere als durchtrainiert. In Cady breitete sich eine fast unangenehme Ruhe aus.
Sie war nicht mehr ganz fit und zudem im fünften Monat schwanger, aber ein paar praktische Anwendungen aus dem Selbstverteidigungskurs, den sie vor Jahren besucht hatte, hatte Cady nicht vergessen.
„Warum? Ich kenne Sie nicht einmal.“
„Sie müssen mich nicht kennen, meine Liebe. Den Grund für Ihren Besuch in meinem Haus werden Sie später erfahren.“
„Wer hat meine Katze getötet?“
„Ihre Katze? Oh, hat man die dazu benutzt, um Sie aus der Bahn zu werfen.“ Meredith lachte und Cady ballte die Hände zu Fäusten. Der Wunsch ihre Finger in das rote Haar zu krallen und ihren Schädel gegen das Holz der Tür zu schlagen, wurde fast übermächtig. „Ich schätze, dass waren Zane oder Troy. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Für solche Bagatellen interessiere ich mich nicht, meine Liebe.“
„Nennen Sie mich noch mal
meine Liebe
, dann schlage ich Ihnen die Zähne ein“, knurrte Cady.
In ihrem Kopf hallte ein einzelner Herzschlag durch die Stille. Zorn, Trauer und Angst wichen zurück und machten einem solch alles umfassenden Hass platz, dass es sie selbst erschreckt hätte, wenn sie noch dazu
Weitere Kostenlose Bücher