Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
siebzehn Jahren. Zu dritt hatten sie zusammengerollt auf Lissas Bett gelegen, und die Mädchen hatten versprochen, dass das Haus in der Lima Street immer ihr Zuhause bleiben und dass sie oft und in jedem Alter zurückkommen würden. Doch nach der Hochzeit war Julie wegen eines Praktikums in einer Werbeagentur nach Chicago gezogen, und Lissa war zu ihrer Hochzeitsreise aufgebrochen, einer Seereise nach Griechenland. Auch später hatte Lissa kaum Zeit gehabt, schließlich war sie frisch verheiratet und Ehefrau eines ehrgeizigen jungen Chirurgen. Dann war sie schwanger mit ihrem ersten Kind geworden, dann mit dem zweiten und dem dritten, und schließlich war sie mit Fußballspielen und Wohltätigkeitsbällen und Ferien in Europa beschäftigt.
Über die Jahre hinweg war Lissas Beschäftigtsein wie eine Geschosshülle gewesen, in der sie eingeschlossen war und an Caroline vorbeirauschte. Ihr erster Satz, sobald sie ans Telefon ging, lautete unvermeidlich: »Hi, Mom. Ich muss los.« »Hi Mom, ich hab’ gerade ziemlich viel zu tun.« »Hi Mom, ich kann nur kurz telefonieren.« Und irgendwo in dem Durcheinander der verstreichenden Zeit hatte Caroline aufgehört, sie anzurufen. Es erschien ihr einfach sinnlos.
Nun, da sie in ihrem Wohnzimmer saß, das sonntägliche Mitteilungsblatt der Methodisten noch in der Hand, erkannte sie die ironische Wahrheit ihrer Situation. Den Bedürfnissen ihrer Kinder gerecht zu werden, war die Aufgabe gewesen, der sie ihr Leben gewidmet hatte. Und jetzt, in der Dämmerung ihres Lebens, in der sie die Kinder verzweifelt brauchte, hatten diese keine Verwendung für sie.
Lissa tauchte in der Wohnzimmertür auf und bedachte Caroline mit einem Blick, als hätte sie den Verstand verloren. »Mom … du warst in der Methodistenkirche ?«
»Mir war nach einer Abwechslung.«
»Einer Abwechslung von unserer Kirche?«
Caroline bekämpfte den Drang, ihrer Tochter zu sagen, sie möge sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern - herauszustellen, dass Lissa und ihre Schwester nur dank Caroline in der episkopalen Kirche aufgewachsen waren.Weil sie diese Kirche ausgesucht hatte.Wegen Barton und seiner Verbindung zu dieser Kirche. Sie wollte Lissa sagen, dass - falls diese in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten auch nur ein kleines bisschen zusammenhängende Zeit mit ihr verbracht hätte - sie vielleicht mitbekommen hätte, was für ein Mensch ihre Mutter war. Dass sie vielleicht ein Verständnis dafür entwickelt hätte, dass eine solche Frau stets nach etwas Neuem suchte. Nach frischer Nahrung für ihre Seele;
etwas, womit sie die brennende Wunde kühlen konnte, die ein Übermaß an Reue und Bedauern gerissen hatten. Doch es war jetzt zu spät, diese Dinge noch zu erklären.
Caroline sagte einfach: »Schön, dich zu sehen.Warum hast du nicht angerufen und mir gesagt, dass ihr kommt?«
»Es sollte eine Überraschung sein. Für Dad.«
»Für Dad? Warum?« Caroline war perplex. Es war Oktober. Weder hatte Robert Geburtstag, noch war Vatertag.
»Dad bekommt doch nächste Woche diese Auszeichnung, wenn ihr nach San Francisco zu diesem Versicherungskongress fahrt.«
Bei der Erwähnung ihres Vaters leuchteten Lissas Augen auf. Sie sah wieder aus wie ein kleines Mädchen. Und Carolines Herz begann zu schmelzen.
»Das ist doch eine große Sache«, fuhr Lissa fort. »Er ist zum Unabhängigen Versicherungsvertreter des Jahres gewählt worden. Julie und ich dachten, es würde Spaß machen, ihn mit einer Feier zu überraschen, ehe ihr beide nach San Francisco aufbrecht.« Lissa zog Caroline aus ihrem Sessel hoch und legte ihr einen Arm um die Hüfte. »Mom, ich finde es so toll, dass ihr diese Reise macht. Ihr beide fahrt sonst nie zusammen weg. Ihr werdet einen Wahnsinnsspaß haben.«
Durch die Berührung von Lissas Arm keimte in Caroline für einen Augenblick die Hoffnung, ihre Mädchen wären doch nicht so weit entfernt, wie sie geglaubt hatte. Sie fühlte sich plötzlich gelöst und heiter. »Ich habe eine Idee«, sagte sie. »Wie wäre es, wenn du und Julie und ich zusammen wegfahren? Für ein Wochenende. Nur wir drei. Vielleicht könnten wir nach …«
Auf der Straße hupte ein Auto: drei schnelle, isolierte Stöße. Lissa löste sich von Caroline. Wieselflink war sie verschwunden.
Auf dem Weg zur Haustür rief sie: »Julie ist da. Toll! Endlich können wir mit Dads Party anfangen.«
Caroline hätte am liebsten gekreischt und mit den Fäusten gegen die Wand gehämmert.
Als Lissa die Haustür
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