Nur ein Augenblick des Gluecks Roman
Champagnerflasche in der Hand erhob er sich am gegenüberliegenden Ende des Tisches. Caroline registrierte, dass er auf sie nicht mehr so hochgewachsen wirkte wir früher. Es schien, als hätte die Last der Jahre, die sie zusammen verbracht hatten, seinen Körper zusammengepresst. Er war schwerfälliger geworden und hatte an
Gewicht zugelegt; seine Bewegungen wirkten leicht arthritisch. Er war ein Großvater. Mit weißem Haar. Und durch sein Gesicht zogen sich tiefe Falten von endlosen Tagen, an denen er aufs von der Sonne glitzernde Meer geschaut hatte. Nur sein Lächeln hatte sich nicht verändert. Es war immer noch das eines gutmütigen Jungen aus Santa Barbara, der einer Studentenverbindung angehörte und eine weite Surfer-Badehose und Flip-Flops trug.
»Auf dich, mein Schatz«, sagte Robert. »Eine großartige Mutter und die schönste Großmutter, die mir je begegnet ist. Ohne dich wären wir alle heute nicht hier.« Zärtlich fügte er hinzu: »Wir haben es geschafft.Trotz allem.Wir haben uns ein Leben aufgebaut.Wir haben diese Familie aufgebaut. Trotz allem, was wir vielleicht falsch gemacht haben, ist es zu einem ordentlichen Ende gekommen. Es ist zu einem guten Ende gekommen.«
Caroline wandte den Blick von Robert ab, schaute zum Haus - jenem Haus, in das Justin einst für so kurze Zeit gehört hatte - und begriff, dass das, was Robert sagte, die Wahrheit war; und gleichzeitig eine Lüge. Für Julie und Lissa waren sie gute Eltern gewesen, aber Justin hatten sie Unaussprechliches angetan. Es war keineswegs zu einem guten Ende gekommen. Das Ende war ein Tümpel voller Licht inmitten eines Ozeans der Dunkelheit. Und Caroline wusste, dass wegen dieser Ungerechtigkeit noch eine Rechnung offen war - sie spürte, dass irgendwo eine endgültige Bestrafung wartete, auf Robert, und auch auf sie.
Sie wandte den Blick wieder den Feiernden zu und sah, wie das strahlende Sonnenlicht auf den Blättern der Eiche glitzerte; sah, wie Robert mit Graham und Fletcher Hufeisen warf. Lissa hatte Ethan auf ihrem Schoß, und beide hatten die Köpfe über ein offenes Buch gebeugt. Julie saß
im Gras, die langen Beine unter dem Körper verschränkt, und sie lachte über etwas, das Harrison gerade gesagt hatte. Über der ganzen Szene lag der Glanz verwirrenden Glücks, und die Schönheit dieses Anblicks raubte Caroline für einen Augenblick den Atem.
Nachdem Lissa, Harrison und ihre Söhne gefahren waren, blieben Caroline und Robert unter der Eiche sitzen und lauschten Julies Neuigkeiten über ihr Liebesleben und ihre Karriere. Dann ging Robert nach oben ins Bett. Caroline und Julie blieben allein in der Küche und räumten die Überreste der Feier auf.
Was als freundlicher Mutter-Tochter-Plausch begann, entwickelte sich rasch zu einem Streit. »Bitte, Mom«, sagte Julie. »Ich habe es satt, darüber zu reden.«
Caroline warf eine Handvoll Besteck in eine Schublade und schloss diese lautstark. »Wir müssen aber darüber reden, denn es ist wichtig.« Sie klang schnippisch und streitsüchtig. »Für mich ist es wichtig.«
»Mom, warum beschäftigt es dich so zwanghaft, was aus diesem Haus wird, wenn du und Dad gestorben seid? Das ist deprimierend und vollkommen müßig.« Julie packte das Geschirrtuch, das sie als provisorische Schürze benutzt hatte, und zerrte es aus ihrem Hosenbund. Sie warf es auf den Tisch und schnappte sich ihre Handtasche. »Es ist ja nicht so, als ob ihr krank wärt und bald sterben müsstet.Warum also …«
Caroline riss Julie die Tasche aus der Hand. »Woher willst du wissen, wann es passiert?«
Sie knallte die Tasche achtlos auf den Tisch. Dann, mit einer etwas kontrollierteren Geste, rückte sie sie schweigend gerade. Sie dachte an den Flug nach San Francisco,
den sie und Robert am nächsten Morgen nehmen wollten. Die Anschläge vom 11. September lagen erst wenige Monate zurück, und ihr gelang es einfach nicht, die Bilder der im World Trade Center explodierenden Flugzeuge aus ihrem Kopf zu verbannen. Caroline hatte schreckliche Angst. Sie setzte sich an den Tisch und stützte den Kopf auf die Hände. »Niemand weiß, wann er stirbt«, erklärte sie.
Nach einer Weile spürte sie Julies Nähe und hörte sie sagen: »O.k., du hast recht. Aber wir müssen wirklich nicht darüber reden, dass du und Dad mir das Haus überlasst. Es ist mir nicht wichtig. Ehrlich. Ich möchte es nicht haben, wenn du und Dad nicht mehr da seid.«
Julies Stimme klang ungewohnt sanft. Caroline wusste, dass sie sich alle
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