Nur ein Blick von dir
freien Lauf.
»Wie heißt er? Und hat er irgendeine Krankheit, von der wir wissen sollten?« Einer der Sanitäter legte eine Sauerstoffmaske über Robs Gesicht, fühlte ihm den Puls und achtete auf irgendwelche Lebenszeichen. Der andere wartete auf eine Antwort.
»Hm, Rob. Robert Underwood. Von einer Krankheit weiß ich nichts, aber er hat immer ganz schön gesund gewirkt«, murmelte ich.
»Und seine Beziehung zu Ihnen?«
»Ich bin nur eine Freundin, mehr nicht. Eine Freundin.« Ich schluchzte so sehr, dass ich mich kaum verständlich ausdrücken konnte.
»Adresse?«, fragte er behutsam.
»Irgendwo in Hampton. Ich weiß, wie man hinkommt, aber die vollständige Adresse kenne ich nicht, tut mir leid.« Ich blickte ihn niedergeschlagen an. »Können Sie ihm helfen?«
»Wir tun, was wir können. Wir bringen ihn jetzt sofort ins Krankenhaus, und da kommen sie schon dahinter, was ihm fehlt.«
»Kann ich mitkommen? Ich möchte ihn jetzt nicht alleine lassen.«
»Natürlich. Es ist immer besser, wenn jemand dabei ist, der den Patienten kennt.«
»He, Clive, ich hab ihn jetzt stabilisiert, wir laden ihn ein«, rief der andere. »Wenn wir Glück haben, steckt da vielleicht ein Ausweis von ihm drin.« Er gab Clive die Brieftasche aus Robs Gesäßtasche.
»Hören Sie mal«, meinte Clive, während er auf den Krankenwagen zuging, »könnten Sie die Sachen während der Fahrt schnell mal durchsehen. Vielleicht finden Sie was mit seiner Adresse?« Er hielt mir Brieftasche und Aktentasche hin. Beides nahm ich nur widerstrebend. Ich war mir ziemlich sicher, dass Rob nicht so begeistert wäre, wenn ich seine Sachen durchwühlte.
Sie schoben ihn in den Krankenwagen, und Clive sprang auf den Fahrersitz. Ich saß zusammen mit dem anderen Typ hinten bei Rob, und als die Sirene eingeschaltet wurde, zuckte ich zusammen. Rob lag da und sah aus, als wäre er bereits tot, und ich drehte seine Brieftasche in den Händen. Was sollte ich seiner Mum erzählen? Wieder liefen mir die Tränen übers Gesicht, und der Sanitäter reichte mir wortlos eine Packung Papiertücher.
»Haben Sie seine Adresse schon?«, fragte er, während er Robs Tropf einstellte.
»Hm, noch nicht«, schniefte ich. »Ich schau jetzt gleich nach.«
In der Brieftasche steckten die üblichen Zettel und aller möglicher Kram wie alte Eintrittskarten, Papierschnipsel mit Telefonnummern und ganz unten, gut verwahrt, eine Speicherkarte. Meine Speicherkarte. Überrascht schossen meine Augenbrauen nach oben, was ich aber schnell zu überspielen versuchte. Als der Sanitäter nicht hinsah, nahm ich die Speicherkarte heraus. Und Sekunden später steckte sie sicher in meiner Gesäßtasche. Jetzt konnte ich dafür sorgen, dass sie zerstört wurde, bevor sie irgendwelchen weiteren Ärger verursachte.
Schließlich fand ich auch etwas mit Robs Adresse und gab es dem Sanitäter, der sie in ein Formular eintrug. Rob lag weiter bewegungslos da, während wir durch die Londoner Straßen rasten. Wenn wir uns Kreuzungen näherten, hörte ich die Sirene aufheulen, doch es schien trotzdem eine Ewigkeit zu dauern, und ich wurde hin und her geworfen, während der Krankenwagen mit Vollgas durch den Verkehr kurvte.
Benommen blickte ich auf das Amulett, das nun wieder sicher um mein Handgelenk lag. Wie lange hatte ich mir gewünscht, es wohlbehalten zurückzuhaben? Und nun hatte ich es, Rob war so gut wie tot, und Callum war nirgendwo zu sehen. Ich kam nicht dahinter, wieso alles so grauenvoll schiefgegangen war. Das Amulett sah so harmlos aus wie immer, und das Blau und Grün des Steins blitzten gelegentlich auf, wenn das Licht auf die tief im Inneren verborgenen roten und goldenen Flecken traf. Ich merkte, dass ich den Stein wie zwanghaft rieb, und spürte die feinen Silberschnüre, die ihn in seinem Käfig sicherten. Doch nichts Eigenartiges rührte sich in seinen Tiefen, kein Prickeln kam in meinem Arm, und die Tränen rannen wieder ungehindert über meine Wangen.
Im Krankenhaus wurde Rob sofort in die Notaufnahme gebracht und ich in einen kleinen Warteraum gebeten. Er war zum Glück leer, so dass es nicht nötig war, mich irgendwie zu verstellen. Ich vergewisserte mich, dass die Tür wirklich zu war, bevor ich es wieder probierte.
»Callum, bitte lass mich doch wissen, ob es dir gutgeht. Ich bin hier und brauche dich. Bitte komm.«
Ich wartete, aber nichts geschah, und die schleichende Verzweiflung, die ich in den letzten Wochen so gut kennengelernt hatte, ergriff wieder Besitz von
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