Nur ein Blick von dir
gemerkt hab, dass wir so viel gemeinsam haben.«
Ich war zu verblüfft, um etwas zu sagen. Wovon in aller Welt redete er eigentlich?
»Graham, es ist, äh, toll, dich zu sehen, aber ich bin echt durcheinander. Warum hast du auf mich gewartet?«
»Ach, komm schon. Das kannst du doch unmöglich vergessen haben, es war doch deine Idee!« Er schaute mir lange ins Gesicht und sprach dann weiter, jetzt aber weniger bestimmt: »Du hast gesagt, du willst an diesem Wochenende mit mir zu dem Treffen nach Birmingham kommen, dem
MegaDeath
-Treffen. Du hast gesagt …« Wieder versickerte seine Stimme, und selbst in dem seltsamen Licht der Straßenlaterne konnte ich sehen, wie ihm die Farbe ins Gesicht stieg.
Das wurde ja immer schlimmer. Ich musste das zu einem Ende bringen, so schmerzlos wie möglich. »Graham«, sagte ich behutsam. »Ich hab seit ewigen Zeiten nicht mit dir gesprochen …« Genaugenommen konnte ich mich nicht erinnern, überhaupt noch mit ihm gesprochen zu haben, seitdem er mich damals gefragt hatte. »Nicht, seit du von der Schule abgegangen bist. Wann sollen wir das denn alles ausgemacht haben?«
»Die ganze Woche hast du mit mir auf Facebook gesprochen. Zuerst hab ich gedacht, du meinst das nicht ernst, aber dann hast du mich überzeugt.« Wieder unterbrach er sich kurz und blickte mir direkt ins Gesicht. »Ist das irgend so ein Witz?«
Und wieder kroch mir die kalte Angst den Nacken hinauf. »Irgendjemand hat mit uns beiden Mist gebaut, absichtlich. Ich bin sicher, dass du ein toller Typ bist, aber ich komme nicht mit dir nach Birmingham.« Ich konnte sehen, wie sein Gesicht zerfiel, und fühlte mich scheußlich. Er stand da wie ein Welpe, der getreten worden war. Ich beeilte mich, es zu erklären, und die Worte überschlugen sich. »Irgendjemand hat es auf mich abgesehen. Er hat meine E-Mails sabotiert, mein Fenster eingeschmissen und jetzt das! Es tut mir echt leid, du hast es nicht verdient, da reingezogen zu werden.«
»Dann warst du nicht die auf Facebook?«
Langsam schüttelte ich den Kopf und konnte sehen, wie seine Schultern absackten. Wer konnte nur so gemein sein? »Es tut mir so leid.« Ich wagte einen schnellen Blick. Er kämpfte um die Beherrschung. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Dann sag doch gar nichts!«, fauchte er, als er sich wieder zu mir umdrehte. »Du hast deinen Spaß gehabt. Jetzt lass mich in Ruhe.«
»Im Ernst, ich war das nicht! Und ich habe keine Ahnung, wer so etwas Gemeines machen würde.« Aber ich sprach schon ins Leere. Graham war zurück in sein Auto gesprungen und versuchte, den Abgang zu machen. Der Motor sprang an, starb dann aber wieder ab, und ich sah, wie starr er auf dem Fahrersitz saß. Ich konnte nicht sagen, wer von uns mehr wünschte, dass der Wagen endlich ansprang. Er versuchte es wieder, diesmal kam die alte Maschine stotternd zum Laufen, und mit durchdrehenden Reifen brauste er davon. Ich stand alleine am Straßenrand und zitterte fast vor Angst. Wer könnte denn so gemein sein, und was würde er als Nächstes machen?
3. Olivia
Ich hatte eine schreckliche Nacht und musste immer wieder an den armen Graham denken. Jedes Mal, wenn ich seinen Blick vor Augen hatte, bekam ich einen Schweißausbruch. Meine Gedanken kreisten um die Fragen wer und warum, doch mir fiel nichts ein. Und auch Grace war vollkommen ahnungslos, als ich ihr am Telefon davon erzählte. »Armer alter Graham Dämlich«, war alles, was sie zu sagen schaffte.
Als ich mich am Morgen noch mal im Bett streckte, fiel mir endlich mit einem Lächeln wieder ein, dass ich zur
St. Paul’s
gehen wollte, um Callum zu treffen. Ich verdrängte alles andere und dachte nur daran, wie wir uns umarmen und küssen würden. Ich musste nur aushandeln, dass ich heute zu Hause nicht mithelfen musste. Von unten drang der Duft des selbstgebackenen Brots nach oben, das Mum jeden Samstag buk, und ich sprang aus dem Bett, um meine Pläne in die Tat umzusetzen.
Doch es war nicht ganz so einfach. Mum hatte sich am letzten Abend offenbar mit Graham unterhalten und war erpicht darauf, den Dingen auf den Grund zu gehen. Als wir mit unserem Kaffee und dem Zimtbrot in der Küche saßen, wusste ich, dass sie mich in der Falle hatte.
»Also, was hat dieser arme Kerl eigentlich gewollt, Alex? Ich habe noch nie jemand so enttäuscht gesehen wie ihn, als er gehört hat, dass du nicht da warst.«
»Um wie viel Uhr ist er denn aufgetaucht?«
»Ach, das war nicht so spät. So gegen halb neun? Ich habe ihm
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