Nur ein Blick von dir
gesagt?«
»Ich . . . ich . . .« Silke versuchte etwas Vertrautes in Marinas Zügen zu finden, ihre lachenden Edelsteinaugen, ihre wohlwollende Neckerei, aber sie fand nichts. »Ich dachte . . . ich wollte . . .«, sie atmete tief durch, »ich wollte nicht mehr daran denken. Er ist seither auch nicht mehr aufgetaucht.«
»Verdammt!« Marina fluchte und setzte sich. Dann hob sie den Blick. »Wie hat er dich gefunden?«
»Er . . . er hat dich wohl beobachtet.« Silke spürte, wie ihr Mund ganz trocken wurde. Sie fragte sich, wer bedrohlicher war, dieser Kerl oder Marina. Nein, nicht Marina. Das war nicht mehr Marina. Das war eine Frau, die Silke nicht kannte. »Er hat uns zusammen gesehen. Er wollte dich finden.«
»Und er ist nicht mehr wiedergekommen?«, fragte Marina misstrauisch.
»Nein.« Silke schüttelte den Kopf. »Ich war dann ein paar Tage bei Yvonne, aber ich konnte ja nicht ewig bei ihr bleiben. Da bin ich wieder in meine Wohnung zurück. Aber es ist nichts passiert.«
»Hm.« Marina presste die Lippen heftig aufeinander.
»Marina.« Silke nahm all ihren Mut zusammen. »Was auch immer du getan hast«, sie streichelte vorsichtig Marinas Arm, »es macht mir nichts. Ich liebe dich, und ich stehe zu dir. Es gibt bestimmt eine Möglichkeit –«
»Du liebst mich?«, unterbrach Marina sie hart. Sie musterte Silkes Gesicht ohne jedes Gefühl. »Das ist aber wirklich Pech für dich. Ich liebe dich nämlich nicht.«
Silke spürte den Schlag wie in Zeitlupe auf sich niedergehen. Erst nach einer Weile kam der Schmerz, der ungläubige Schmerz, der ihr fast die Eingeweide zerriss. »Ich . . . ich . . .« Sie schluckte. Sie stellte nicht in Frage, was Marina gesagt hatte. Warum war sie einfach davon ausgegangen, dass Marina sie auch lieben musste, wenn sie selbst die Liebe zu Marina doch gerade erst entdeckt hatte? Sie hatte lange gebraucht, um sich darüber klarzuwerden, und nun das. »Marina . . .«, hauchte sie hilflos.
»Ich glaube nicht an die große Liebe«, sagte Marina kalt. »Ich glaube daran, dass Menschen in einem bestimmten Bereich zueinander passen, auf eine bestimmte Art, zu einer bestimmten Zeit. Wenn irgendetwas davon nicht mehr vorhanden ist, trennt man sich wieder.« Sie grinste sardonisch, es war kein Funken Nettigkeit darin. »Und wir hatten doch unseren Spaß, nicht wahr?«
»Es war also nur . . . Sex?«, flüsterte Silke. Ihre Stimme klang belegt, weil sie die Tränen zurückhalten musste.
»Ja, natürlich, was dachtest du denn?« Marina verzog abschätzig die Mundwinkel. »An etwas anderem bin ich nicht interessiert. Am Anfang hast du das ja auch richtig erkannt und mich weggeschickt.« Sie gab ein trockenes Lachen von sich. »Gut, dass ich für solche Gelegenheiten immer noch meine Ex habe.«
»Was?« Silke starrte sie an.
»Ja, glaubst du denn, ich war die ganze Zeit im Krankenhaus?«, fragte Marina herablassend. »Du bist mir auf die Nerven gegangen mit deinem ewigen Geseiere von Beziehung und Rücksichtnahme und all dem Kram. Und dann wolltest du mir auch noch deine beste Freundin vorstellen. Als ob wir gleich heiraten würden. Wahrscheinlich wäre als nächstes deine Mutter gekommen und der Rest deiner Familie. Nee, das ist nichts für mich.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß gar nicht, warum ich das überhaupt so lange mitgemacht habe. So gut bist du im Bett auch wieder nicht.«
Silke sank in sich zusammen, krümmte sich wie unter einem Fausthagel von Schlägen.
»Linda ist da ganz anders«, fuhr Marina fort. »Sie weiß, was sie von mir erwarten kann und was nicht. Nach dem Abend, an dem ich eigentlich zu dir und Yvonne kommen sollte, habe ich ein paar Tage mit Linda verbracht. Sie ist immer für mich da, wenn ich sie brauche, und sie macht keine Zicken. Das war richtig entspannend nach der Zeit mit dir.« Ihre Augen wirkten hart wie Kristalle. »Sie stellt keine Ansprüche an mich. Sie tut einfach, was ich will, und verpflichtet mich zu nichts.« Sie stieß ein geringschätziges Geräusch aus. »Mit ihr brauche ich nicht zu diskutieren. Sie ist mit dem zufrieden, was sie bekommt. So wünsche ich mir das. Alles andere ist viel zu anstrengend.«
»Warum hast du das getan?«, flüsterte Silke erstickt.
Marina betrachtete sie wie eine Amöbe. »Ach, weißt du, was macht man nicht alles, wenn man eine Frau rumkriegen will? Kennst du doch sicher auch.« Sie zuckte die Schultern.
Das Schluchzen stieg in Silke hoch und brach aus ihr heraus. Sie
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