Nur ein einziger Kuss, Mylord?
ans andere gestakt. Bei seinem Anblick fiel ihr ein, dass Lady Braybrook erwähnt hatte, sie plane eine Bootsfahrt mit Picknick. Christiana war sich sicher, dass Ihre Ladyschaft verkünden würde, sie brauche sie an diesem Tag nicht und sie solle stattdessen Lissy und Emma begleiten.
Sie seufzte. Das Gefährlichste war die Zuneigung, die sie für sie alle empfand. Nicht nur für Lady Braybrook, auch für die Kinder. Matt mit seiner stillen, gelehrsamen Art, die trotzdem noch Züge jungenhaften Übermuts aufwies. Emma und Lissy, die so fröhlich und vertrauensvoll waren, und Davy, der seinen ältesten Bruder wie einen Helden verehrte. Mit Mühe verbannte sie das Bild der beiden, wie sie am Morgen den Frühstückssalon verlassen hatten, aus ihren Gedanken. Davy, schwatzend wie eine Elster, und Seine Lordschaft, der sich zu dem Jungen hinuntergebeugt hatte, als wolle er keine Silbe des kindlichen Wortschwalls verpassen, Davys zweifellos klebrige kleine Hand in der seinen, und die Hündin auf ihren Fersen.
Alberne Gefühle, schalt sie sich. Sie gehörte nicht dazu. Die Trenthams behandelten sie freundlich, aber sie waren nicht ihre Familie. Irgendwann würde sie fortgehen und sich wieder ganz auf sich selbst verlassen müssen. Das war ihr Leben. Sie wusste es, seit sie sich mit achtzehn verliebt hatte.
Nein!
Christiana griff nach ihrem Tornister und stand auf. Sie würde keiner bitteren Erinnerung gestatten, ihr diesen wunderbaren Tag zu verderben, der ohnehin viel zu schnell verging. Wenn er vorbei war, würde sie auf ihren nächsten freien Tag warten müssen, und wer garantierte ihr, dass es dann nicht wie aus Eimern goss? Sie hängte sich den Korb für die Brombeeren in die Armbeuge und wanderte weiter.
Zwei Stunden später war Christiana sich sicher, dass einer der bleibenden Eindrücke dieses Tages ihr Kampf mit den Brombeerhecken sein würde. Sie hatte keine Vorstellung davon gehabt, wie hartnäckig die dornigen Triebe an einem haften konnten. Das Problem war, dass sie sich kaum ablösen ließen, wenn sie sich einmal in irgendetwas verhakt hatten. Ob es ihre Haare waren, ihre Röcke oder ihre nackten Unterarme, die überall Kratzer aufwiesen, nachdem sie ihren Spenzer und die Handschuhe ausgezogen hatte – die stacheligen Zweige schienen sich überall festzuklammern wie Tentakeln. Der Brombeerkorb war inzwischen zu zwei Dritteln voll, und sie musste zugeben, dass es mehr hätte sein können, wenn nicht so viele Beeren in ihrem Mund verschwunden wären. Sie liebte Brombeeren, und diese hier schmeckten einfach unwiderstehlich.
Das Oberteil ihres Kleides war nass geworden, als sie ihr verschwitztes Gesicht am Fluss mit Wasser gekühlt hatte. Aber es herrschte eine solche Hitze, dass sie wieder trocken sein würde, wenn sie in Amberley ankam. Dennoch beabsichtigte sie, den Seiteneingang zu nehmen. Sie sah fürchterlich aus, aber sie hatte viel zu viel Spaß, um auf ihr Äußeres zu achten. Noch nie war sie einen ganzen Tag in der Natur herumgestreift. Ihr Leben hatte sich immer in geschlossenen Räumen abgespielt, außer wenn Botengänge zu machen waren. Das Gefühl, einfach zu sein , kannte sie nicht. Ebenso wenig wie Brombeeren, die nicht aus dem Laden stammten.
Sie blickte an der Hecke entlang, als ihr plötzlich einige besonders saftige Exemplare auffielen, die genau über ihrem Kopf hingen. Auf den Zehenspitzen wollte sie danach greifen, als sie spürte, wie ein hinderlicher stachliger Trieb, den sie beiseitegebogen hatte, zurückschnellte und die Dornen durch den dünnen Stoff ihres Kleides und das Leinen ihrer Chemise in die Haut ihres Brustansatzes stachen.
„Verflixt!“, murmelte sie und verrenkte sich fast, um die Widerhaken zu lösen. Dabei verfing sich ein anderer Trieb in ihren Haaren. Mit einer leisen Verwünschung griff sie über sich, um sich von ihm zu befreien, und hielt mitten in der Bewegung inne, als ihr Blick auf eine grün schillernde Schlange fiel, die sich ein paar Yards vor ihren Füßen zusammengerollt hatte. Mit einem unterdrückten Keuchen wich sie zurück, verlor das Gleichgewicht und stolperte in die Hecke.
Ohne die ruhig daliegende Schlange aus den Augen zu lassen, versuchte sie, sich loszureißen. Vergebens. Sobald es ihr gelungen war, sich von einem der dornigen Zweige zu befreien, hatten sich zwei neue in ihrem Haar oder ihrem Kleid verhakt. Plötzlich hörte sie Hufgeklapper und hielt inne. Die Schlange hob den Kopf, zuckte kurz mit ihrer gespaltenen Zunge und glitt
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