Nur ein einziger Kuss, Mylord?
sein, mich zu heiraten, wenn nicht einmal …“
Zu spät wurde ihr bewusst, dass sie zu viel gesagt hatte. Braybrook runzelte die Stirn und betrachtete sie mit einem Blick, der all die Mauern bröckeln ließ, die sie um ihre Erinnerungen aufgerichtet hatte.
„Wer war er?“
Verzweifelt versuchte sie, die Mauern wieder zu schließen. „Es kann Ihnen gleichgültig sein, Mylord, zumal ich nicht die Absicht habe, Sie zu heiraten.“
„Wer war er?“
Ärger wallte in ihr auf. „Warum? Haben Sie Sorge, dass ich keine Jungfrau mehr sein könnte?“
Er musterte sie. „Sollte ich?“
„Höchstens wenn ich einwilligen würde, Ihre Frau zu werden, und selbst dann bin ich mir nicht sicher, ob Sie das Recht dazu hätten.“
Sein Gesichtsausdruck wurde hart. „Aber da wir heiraten werden, würde ich behaupten, ich habe jedes Recht dazu.“
„Erklärten Sie mir nicht vor einiger Zeit, Sie seien nicht scheinheilig genug, Ihrer Gattin etwas abzuverlangen, das Sie selbst nicht zu geben bereit sind?“
Er schwieg einen Augenblick. „Nun gut. Einigen wir uns darauf, dass ich keine Rechte habe, aber bedauernswert neugierig bin. Wer war er, Christy?“
Vielleicht tat sie besser daran, es hinter sich zu bringen. So wie man eine Wunde ausbrannte oder einen Splitter aus dem Fleisch entfernte. Sie zuckte die Schultern. „Niemand, den Sie kennen. Jeremy war der Sohn eines Kaufmanns. Nicht reich, aber aufstrebend. Ich bin mit seiner Schwester zur Schule gegangen und …“ Sie schluckte, kaum in der Lage, die Worte auszusprechen. „Jeremy und ich verliebten uns ineinander.“
„Und?“
„Als er mich bat, ihn zu heiraten, erzählte ich ihm die Wahrheit.“
Braybrook nickte. „Woraufhin Sie ihn nie wiedersahen?“
Wie sehr wünschte sie, so habe es sich zugetragen.
„Im Gegenteil. Er kam in der nächsten Woche.“ Sie musste sich zwingen weiterzusprechen. „Er wollte mich immer noch. Nur zu anderen Bedingungen. Ich sollte eine Unterkunft beziehen, die er bezahlte.“ Sie verstummte. Braybrook würde am besten wissen, welchen Verlauf schäbige Geschichten wie diese zu nehmen pflegten.
„Haben Sie es getan?“ In seiner Stimme war kein Vorwurf zu hören.
„Nein.“ Sie hatte sich in einem Loch verkriechen und sterben wollen vor Scham. Alles war anders gewesen, die Art, wie Jeremy mit ihr gesprochen hatte. Wie er sie angesehen hatte. Als wäre sie eine Ware. Als habe sie kein Recht, etwas Besseres zu erwarten.
„Und aus welchem Grund wollen Sie mich nicht heiraten?“
Sie starrte ihn an. „Aus welchem Grund …? Sie wollten mich ebenfalls als Mätresse! Glauben Sie, ich wünsche einen Mann zu heiraten, der mich in diesem Licht sieht?“
Julian ballte die Hände zu Fäusten. „Touché“, sagte er rau. „Aber Sie haben mein Angebot abgelehnt. Wie Sie es bei dem Mann taten, den Sie offenbar liebten.“
Ein Zittern überlief sie. Hatte sie Jeremy geliebt? Wie sollte sie das heute noch wissen? Sie hatte geglaubt, ihn zu lieben, ihn jedenfalls sehr gemocht, und wäre gern seine Frau geworden. Aber Liebe …?
„Ich habe abgelehnt, weil ich wütend war“, entgegnete sie. „Nicht aus Gründen der Tugend.“
Um seine Mundwinkel zuckte es. „Ja. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie wütend waren.“
„Nicht weil er mich nicht mehr heiraten wollte“, stellte sie richtig. „Das konnte ich verstehen. Aus diesem Grund habe ich ihn aufgeklärt – um ihm eine Entscheidung zu ermöglichen. Stattdessen war er so dreist, sein Angebot, mich auszuhalten, zu erneuern.“
Seine Lordschaft zuckte zusammen. „Oh, ich verstehe.“
„Und Ihr Angebot habe ich nicht zurückgewiesen, weil ich darauf spekulierte, ein besseres zu bekommen.“ Sie hätte es nicht ertragen, wenn er ihr das unterstellte. „Sie müssen nichts weiter tun, als die Wahrheit in Umlauf bringen. Dann wird niemand Anstoß an Ihrem Verhalten nehmen.“
„Außer mir selbst.“
„ Sie? “
„Nachdem Sie mein ursprüngliches, unanständiges Angebot abgelehnt hatten, waren Sie sorgfältig darauf bedacht, dass wir uns nie mehr allein begegneten. Tatsächlich mieden Sie mich, wo immer Sie konnten.“
„Was spielt das für eine Rolle?“ Sie fühlte sich unendlich müde.
„Es machte mir klar, dass Sie mein Angebot trotz unserer gegenseitigen Anziehung zurückwiesen.“
Daran wollte sie nicht erinnert werden. An den Gleichklang ihrer Körper, ihrer Herzen, ihrer Seelen, als sie sich geküsst hatten. Daran, wie seine Küsse sie glauben gemacht
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