Nur ein einziges Wort
bitte nicht in Ohnmacht fallen, bitte lieber Gott, hilf mir‘. Sie hat ihre Gedanken nicht Mal zu Ende gedacht, schon steht er vor ihr, sie aus seinen stahlblauen Augen anstrahlend.
„Ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest, dir liebe Tatjana und auch deiner Familie, ganz besonders deiner lieben Mutter. Und nun zu dir mein kleiner Schatz“, dabei bückt er sich und hebt die kleine Stefanie beidarmig in die Höhe, als wenn sie ein Spielball wäre:
„Eigentlich hatte ich mir Weihnachten hier in Kanada ganz anders vorgestellt, doch du mein kleiner Schatz hast mir heute etwas gegeben, was mir nie mehr jemand wegnehmen kann.“
„Und du uns aber auch, Papa“.
„Stefanie, bevor du noch irgendetwas sagen möchtest, denke ich, dass es an der Zeit ist, dass wir beide g emeinsam deiner ‚Tante Tatjana‘ eine Aufklärung schuldig sind. Damit bist du doch auch einverstanden, stimmt’s?“
„Ja Papa, ich weiß wirklich nicht wie ich es fertiggebracht habe, das alles so lange für mich zu behalten. Aber jetzt ‚Tante Tatjana‘, muss ich dir so viel erzählen, dass du es nicht alles an einem Tag und besonders heute am Weihnachtstag, verkraften kannst. Aber mein Papa wird mir bestimmt dabei helfen.“
Während Fabian, Tatjana und die kleine Stefanie noch eng beieinander stehen, haben die meisten Besucher und Gäste bereits die ‚Unterkirche‘ verlassen, um sich eine Treppe höher zu begeben. Dort wird in wenigen Minuten der Weihnachtsfestgottesdienst beginnen und diesmal in einer ungeahnten Feierlichkeit. Zum ersten Mal werden nämlich die beiden Pastöre Herman Winkler und Peter Weiler das ‚Hochamt‘ gemeinsam mit allen Kirchgängern zelebrieren.
Nur Tatjanas ‚ Mom‘ Elisabeth, die Spuren ihrer Tränen im Gesicht hat sie nur schlecht verwischt, steht plötzlich hinter ihnen.
„Bitte nehmt es mir nicht übel, aber ich habe vor einigen Minuten mit meinem alten Ebenthaler Freund Heribert Rauch gesprochen. Er und ich, wir kennen uns schon aus der Kinderzeit. Dabei wollte ich eigentlich nur von ihm wissen, warum sie, Fabian, als ein Bauer aus Ebenthal so eine schöne Stimme haben. Ihr liebes Töchterlein Stefanie scheint diese ja auch von ihnen geerbt zu haben. Heribert hat laut aufgelacht und mir dabei nur gesagt, dass sie Fabian, alles andere aber wirklich nichts mit einem Bauernhof zu tun hätten. ‚Vielleicht solltest du ihn doch mal selber fragen,‘ hat er mir als letzte Antwort mitgegeben.
Doch jetzt wünsche ich ihnen und ihrem süßen Töchterlein von ganzem Herzen erst einmal ein schönes und frohes Weihnachtsfest und nach dem Gottesdienst sind sie natürlich herzlich bei uns zum Mittagessen eingel aden.“
Inzwischen hat sich auch Tatjanas Bruder John Sr. zu der Gruppe gesellt und wirft seiner Mutter und danach auch Tatjana fragende Blicke zu, bevor er seine Augen auf Fabian richtet und dabei eigentlich recht schelmisch lacht:
„Herr Fabian, zuerst einmal frohe Weihnachten, doch was wir alle heute hier erleben konnten, wird sich wohl niemals aus unserem Gedächtnis verwischen lassen, es war einfach zu überwältigend. Wenn ich ehrlich sein soll, muss ich gestehen, dass ich ihnen danken möchte, hier mit ihnen zusammenzustehen und mit ihnen plaudern zu können.
Der, als den meine Mutter sie mir gestern kurz beschrieben hat, sind sie sicherlich nicht, aber wenn sie uns die Ehre geben, das Festessen heute Mittag mit uns zu teilen, werden sie nicht umhin können, meiner Mutter über sich und auch ihr Leben zu erzählen.
Wir alle, damit meine ich meine beiden Schwestern und auch mich, kennen die meisten der Tricks, die unsere Mutter aus ihrer Kiste hervorzaubern kann, bis sie erfahren hat, was sie gerne wissen möchte.“
Es ist nun Fabians Seite, die John Sr. unverfänglich anlacht:
„Mein Töchterlein Stefanie und auch ich hatten bereits sowieso auf unserem Plan, alles das aufzuklären, was bei unserer Ankunft nur durch eine einfache Namensverwechselung entstanden ist.“
Nach diesen Worten begeben sich alle Mitglieder der Familie König als auch Fabian und seine Tochter Stefanie nach oben um in der weihnachtlich geschmückten Kirche dem Festgottesdienst beizuwohnen.
Die weit über hundert Jahre alte, im gotischen Baustil erbaute Kirche ist durch ihre Akustik weit über die Grenzen des Kreisgebietes von Kitchener – Waterloo bekannt. Doch als jetzt die beiden Chöre mit ihren hundert Sängern und Sängerinnen ihre Stimmen erschallen lassen, rieselt es manchem der zahlreichen
Weitere Kostenlose Bücher