Nur ein galantes Abenteuer?
Wahnsinniger würde so etwas tun?“
Caroline lief ein Schauder den Rücken hinunter, als ihr klar wurde, wie knapp sie alle einem furchtbaren Tod entronnen waren. „Ich begreife es auch nicht …“ Tom stöhnte auf, und sie eilte an seine Seite. „Hast du sehr schlimme Schmerzen?“
„Ich würde gern etwas trinken“, sagte Tom.
Caroline ging zum Waschtisch, doch die Kanne, die darauf stand, war leer. „Leider ist nichts mehr drin, Tom. Ich gehe und hole dir neues.“
Tom schien sie nicht gehört zu haben. Mit geschlossenen Augen lag er da und stöhnte vor Schmerzen. Leise ging sie aus dem Raum und die Stufen hinunter, um den Gastwirt zu suchen. Als sie zögernd am Treppenabsatz stehen blieb, kam er gerade aus einer der Türen zu ihrer Linken.
„Ah, da sind Sie, Miss“, sagte er. „Ich wollte gerade ein Dienstmädchen mit einem Krug Wasser hochschicken. Brauchen Sie sonst noch etwas für den armen jungen Mann?“
„Ja, bitte“, erwiderte Caroline. „Ein Brandy würde nichts schaden, Sir.“
„Da haben Sie recht. Gehen Sie nur wieder hoch. Ich lasse sofort alles bringen.“
Während Caroline die Treppe hinaufeilte, hörte sie hinter sich lautes Männergelächter. Sie schaute sich kurz um und ging dann wieder in das Zimmer ihres Bruders. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie von einem der Männer erkannt worden war.
Tom blickte sie fragend an, als sie eintrat, und sie erklärte ihm, dass der Gastwirt gleich Wasser und Brandy bringen lassen würde.
„Vielleicht hilft es etwas gegen die Schmerzen“, tröstete sie ihn.
„Ja, bestimmt“, sagte er. „Aber du hättest nach dem Dienstmädchen klingeln sollen, Caroline. Es ist nicht gut, wenn du allein im Gasthaus gesehen wirst, meine Liebe. Du weißt, wie Tante Louisa und die anderen Tugendwächterinnen sind. Sie machen aus jeder Mücke einen Elefanten.“
„Vermutlich hast du recht, aber ich mache mir nicht viel daraus, ob jemand schlecht von mir denkt.“ Auch wenn sie tief im Inneren ihres Herzens wusste, dass ihr zumindest die Meinung eines Menschen wichtig war.
Caroline saß zwei Stunden bei ihrem Bruder, bevor sie Stimmen vor der Tür hörte und ihre Mutter eintrat. Sie sprang auf und umarmte ihre verweinte Mama.
„Es ist alles in Ordnung“, sagte sie. „Tom schläft. Er hatte Schmerzen, aber nachdem er etwas Brandy getrunken hat, ist er eingeschlafen.“
„Hat er Fieber?“, wollte ihre ängstliche Mutter wissen und befühlte ihm die Stirn. Erleichtert nahm sie wahr, dass keine erhöhte Temperatur festzustellen war. „Gott sei Dank! Wir verdanken seine Sicherheit Sir Frederick.“
„Es scheint nur ein unkomplizierter Bruch zu sein“, versicherte ihr Caroline. „Wir bringen ihn besser nach Hause. Bist du mit deiner eigenen Kutsche da?“
„Ja“, erwiderte Mrs. Holbrook. „Ich war gerade unterwegs, als Sir Frederick zu uns kam, aber er hat mich auf meinem Heimweg von der Leihbibliothek gefunden. Ich hoffe, du weißt zu schätzen, was er heute für uns getan hat?“
„Selbstverständlich, Mama“, erwiderte Caroline. „Es war sehr nett von ihm, uns so zu helfen. Ist er mit dir zurückgekehrt?“
„Nein. Er hat gefragt, ob er gebraucht würde, doch ich habe es abgelehnt. Ich hatte den Eindruck, er wollte etwas erledigen. Aber ich habe unseren Kutscher und zwei Burschen mitgebracht.“
Tom stöhnte auf, wollte indes sofort nach Hause aufbrechen.
Mrs. Holbrook klingelte nach dem Dienstmädchen und erteilte Anweisungen. Man stellte einen Stuhl bereit, auf dem Tom Platz nehmen konnte, damit zwei kräftige Männer ihn die Treppe hinuntertragen konnten. Caroline ging voraus, um dem Kutscher Bescheid zu geben. Ihre Mutter folgte, wobei sie die Männer anwies, vorsichtig mit ihrer kostbaren Fracht umzugehen.
Am nächsten Tag hatte Tante Louisa schlechte Laune, zumal ihr zu Ohren gekommen war, dass Gerüchte über ihre Nichte kursierten.
„Du kennst doch die Wahrheit, Tante“, verteidigte sich Caroline, als sie von Lady Taunton ausgefragt wurde. „Tom wurde bei dem Unfall verletzt. Deshalb war ich in diesem Gasthof. Es ist Pech, das mich dort jemand gesehen hat, aber diese üble Nachrede lässt sich leicht im Keim ersticken, wenn du die Wahrheit erzählst.“
„Was ich bereits getan habe, wie du dir denken kannst.“ Lady Taunton blickte sie scharf an. „Wenn du dich umsichtiger verhalten hättest, wäre erst gar kein Gerede aufgekommen. Ich habe dich ja gewarnt. Wer einmal in Verruf gerät, bringt sich um jede gute
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