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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Christian, das andere hoffte, sie würde nicht abreisen, bevor wir uns nicht noch einmal gesehen hatten. Dieses Mal wollte ich mich unbedingt von ihr verabschieden.
    »Sie hat ihren Reitunterricht abgebrochen«, sagte ich irritiert. 
    »Täusche ich mich, oder schwingt da ein Hauch von verletzter Eitelkeit in deiner Stimme mit?«
    »Findest du es nicht seltsam, dass sie sich gar nicht von mir verabschiedet hat? Immerhin ...«
    »Immerhin hattet ihr euch gerade erst wiedergetroffen. Meinst du das? Oder meinst du, weil du nach zwanzig Jahren endlich die Worte gefunden hast, um dich bei ihr zu entschuldigen, müsse sie um eurer alten Freundschaft willen ... «
    »Hör auf!«, unterbrach ich sie unwirsch.
    »Carla, sie ist nur ehrlich. Ihr habt euch getroffen, du hast dich entschuldigt, und damit ist es gut. Es ist alles gesagt.«
    »Aber ich weiß immer noch nicht, ob sie mir verziehen hat.« 
    »Vielleicht ist das ihre Rache - dich ein wenig schmoren zu lassen. Ich finde, das steht ihr zu.«
    »Es ist seltsam, nachdem ich mit ihr geredet hatte, war ich erleichtert. Es war, als wäre eine Last von meinen Schultern gefallen, an deren Gewicht ich mich nie wirklich gewöhnt hatte. Aber nach dieser Erleichterung kam so etwas wie Enttäuschung. Insgeheim hatte ich gehofft, sie würde sich nach unserem Gespräch vielleicht noch einmal bei mir melden.« Ich holte tief Luft und atmete sie gleich darauf hörbar wieder aus. »Irgendwie hatte ich gehofft, es würde wieder gut zwischen uns.«
    »Du hast gehofft, du würdest wieder die Gute«, sagte Susanne in ihrer unbeirrbaren Art. »Es fällt dir schwer hinzunehmen, dass du in ihrer Erinnerung vielleicht immer diejenige bleiben wirst, die sie im Stich gelassen hat.«
    Ich musste nicht lange über ihre Worte nachdenken, um zu wissen, dass sie Recht hatte. Trotzdem kam mein Nicken mit Verzögerung.
    »Aber so wie du mit der Ungewissheit leben musst, muss sie vielleicht mit den Schatten ihrer Vergangenheit leben, die sie immer wieder aufleben lässt. Und ich denke, da hast du eindeutig den leichteren Part erwischt.«
    Auf ein forsches Klopfen hin steckte Franz Lehnert seinen Kopf durch den Türspalt. »Im Stall sagte man mir, dass ich Sie hier finde, Carla.«
    Die zwei Herzen in meiner Brust hatten an diesem Tag viel zu tun. Einerseits freute ich mich, ihn zu sehen, andererseits bedeutete sein Besuch, dass er meinen Wunsch, Viktor Janssen aus meinem Leben herauszuhalten, ignorierte. »Hallo, Herr Lehnert«, sagte ich verhalten.
    Fragend sah er zwischen Susanne und mir hin und her. »Ich kann auch später noch einmal wiederkommen ... «
    »Nein! Bleiben Sie!«, sagte Susanne. »Ich müsste ohnehin längst an meinem Arbeitsplatz sein.« Kaum war sie von ihrem Stuhl aufgesprungen, machte sie ihm ein einladendes Zeichen, sich zu setzen. »Bin schon weg.«
    Ich hatte nicht vor, es Franz Lehnert leicht zu machen, deshalb weigerte ich mich, ihm eine Brücke zu bauen, und sah ihn nur stumm an.
    Aber er brauchte keine Brücke, er nahm einfach Anlauf und sprang. »Sterbeforscher sind der Überzeugung, es seien die unerledigten Dinge, die den Menschen nicht zur Ruhe kommen lassen«, sagte er eindringlich, ohne mich dabei auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. »Auf Viktor übertragen heißt das: Er kann nicht loslassen, bevor er Sie nicht noch einmal gesehen hat. Eigentlich müsste er längst tot sein.« 
    »Finden Sie es fair, mir die Verantwortung zuzuschieben?« 
    »Ja«, antwortete er, ohne mit der Wimper zu zucken. »Bitte kommen Sie ... so bald wie möglich. Jeder Tag, den Sie ins Land ziehen lassen, verlängert sein Leiden.« Er stand auf, um zu gehen.
    »Ich ...«
    »Ihr Vater wartet auf Sie, Carla.« Er ließ mir keine Gelegenheit, noch etwas zu antworten. Kaum war er durch die Tür verschwunden, hörte ich ihn im Flur eine Entschuldigung murmeln.
    Keine zwei Sekunden später baute sich Susanne im Türrahmen auf.
    »Hast du nicht gesagt., du musst zur Arbeit?«, fragte ich. 
    »Wann fährst du zu ihm?«
    »Du hast gelauscht ... «
    »Ja - also wann fährst du?«
    »Das geht dich nichts an!«
    Der Blick, den sie mir entgegenschleuderte, war nichts im Vergleich zu ihren Worten. »Carla Bunge, wenn du nicht willst, dass ich dich an deinen Haaren nach Eutin schleife, dann setz dich in dein Auto und fahr los. Und zwar sofort!« Sie hatte es sehr leise und sehr präzise gesagt. So hatte ich sie noch nie erlebt.
    Mein Blick landete auf dem Tisch zwischen uns.
    »Ich verabscheue

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