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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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verletzlich und doch so tapfer aus. »Ich verdiene es nicht, dich getroffen zu haben«, flüsterte er und lehnte seinen Kopf gegen meinen. Ich spürte eine hauchzarte Berührung, und wieder machte mein Herz einen Satz. Ich wusste nur nicht, ob vor Aufregung oder aus Sorge vor dem, was ich noch zu hören bekommen würde.

9 Stehlen
    Callum setzte sich direkt hinter mich, vergewisserte sich, dass ich ihn im Spiegel sehen konnte. Er schwieg kurz, um seine Gedanken zu sammeln. Währenddessen blickte ich über den Fluss zum anderen Ufer. Dort konnte ich sehen, wie die Menschen in dem kleinen Park spazieren gingen. Es erstaunte mich, dass für alle anderen das Leben ganz normal weiterging, während sich für mich alles so grundlegend verändert hatte.
    Ich wandte mich wieder Callum zu und betrachtete sein Gesicht in dem kleinen Spiegel. Er schaute immer noch mit leicht gerunzelter Stirn auf sein Amulett.
    »Es ist ein seltsamer Zwang, dem wir da ausgeliefert sind«, sagte er schließlich. »Ein bisschen so, als würde man langsam in einen Abgrund gleiten. An den glücklichen Gedanken und Erinnerungen kann man sich festhalten, um nicht einfach unterzugehen. Wir brauchen glückliche und fröhliche Erinnerungen, doch wir selbst haben keine. Deswegen brauchen wir andere Menschen. Am besten sind glückliche Erinnerungen, an die jemand immer und immer wieder gedacht hat. Sie sind die stärksten, mächtigsten, und sie sind am besten geeignet, um gegen die Verzweiflung anzukämpfen.«
    »Und wenn du nicht genug bekommst?«
    »Dann versinken wir. Es ist, wie lebendig begraben zu werden mit einer Qual, die niemals endet.« Seine blauen Augen verdunkelten sich. »Ich kann gar nicht beschreiben, wie entsetzlich das ist. Als wären alle deine schlimmsten Erlebnisse und Träume in einen einzigen Gedanken gerollt worden, den du nicht mehr aus dem Kopf bekommst.«
    »Und dann?«
    »Dann musst du dich zwingen, zurück in die Welt zu gehen, jemand Glücklichen zu suchen und … seine Freude pflücken. So nennen wir das. Es passiert niemandem ein zweites Mal, dass er in diesen Zustand gerät, es ist einfach zu furchtbar. Danach bist du vorsichtiger und siehst zu, dass dein Vorrat an Erinnerungen niemals ganz zur Neige geht.« Er schaute mir direkt in die Augen.
    »Das klingt schrecklich.«
    Callum nickte langsam. »Ich denke, dass es vielleicht gerade darum geht. Irgendwas an diesem verdammten Fluss hat dieses andauernde Leid und die ständige Schwermut verursacht, und wir haben keine Ahnung, warum.«
    »Aber wie geht das vor sich? Woher wisst ihr, ob jemand glücklich ist?«
    »Wenn ich Menschen in deiner Welt begegne, dann sehe ich ein schwaches Leuchten um ihren Kopf. Verschiedene Gefühle haben unterschiedliche Farben, und daran erkennen wir, ob das Gefühl gut ist. Glückliche Erinnerungen und Gefühle bringen goldgelbe Aura hervor – ein bisschen wie Sonnenschein.«
    »Und was passiert dann?«
    »Das ist ziemlich einfach. Erschreckend einfach. Ich streiche einfach mit dem Amulett durch die Aura, und das nimmt die Energie auf. Die Menschen merken davon nichts, sie fragen sich nur, woran sie eigentlich gerade gedacht haben. Die Erinnerung selbst bekomme ich nicht zu sehen. Ich kriege nur einen vagen Eindruck davon – wie einen Geschmack, könnte man sagen. Vielleicht etwas von einem Ort oder einem Urlaub, manchmal auch von einem Freund, aber nichts Konkretes.«
    »Die armen Leute. Die vergessen ihre allerschönsten …?«
    »Es sieht so aus. Und dann, wenn man eine Weile so
lebt
, entwickelt man eine Art Vorliebe für bestimmte Typen von Erinnerungen. Einige von uns«, er zuckte bei dem Plural zusammen, »bevorzugen ein … reiferes Gehirn.«
    »Deine Freunde belauern die Alten?«
    »Ja. Einige von ihnen finden, dass es eine Verschwendung von Glücksmomenten wäre, sie davontreiben zu lassen, wenn ihr Erinnerungsvermögen ohnehin nachlässt. Sie verbringen viel Zeit in Altersheimen. Wir müssen sehr vorsichtig sein, nicht zu viele Erinnerungen einer Person auf einmal zu nehmen. Das ist extrem gefährlich. Doch einige von uns haben sich nicht gut unter Kontrolle.« Er schüttelte den Kopf, bevor er fortfuhr. »Andere bevorzugen die Gefühle junger Mütter. Die sind oft so glücklich, dass man lange davon zehren kann.«
    »Und was ist mit dir?« Ich hob das Kinn und sah ihm fest in die Augen. Ich musste es wissen. »Was hast du am liebsten?«
    »Weil ich allgemein nicht so verzweifelt bin wie die anderen, kann ich etwas

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