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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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wählerischer sein. Ich geh oft in Kinos, wenn da Komödien laufen. Die Leute haben zwar dann nichts von dem Film, aber einen Film kann man sich ja zweimal ansehen.«
    Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte, und atmete nun langsam wieder aus. »Du nimmst also keine echten Erinnerungen weg?«
    »Ich versuche, das nicht zu tun. Wirklich. Ich hoffe jedenfalls, dass die Leute im Kino nur an den Film und nicht an ihr wirkliches Leben denken.«
    »Kannst du auch meine Gefühle sehen? Weißt du, ob ich glücklich bin?«
    Sein Lachen überraschte mich. »Leider nein. Um dich herum gibt es nicht die Spur einer Farbe.«
    »Oh, heißt das, dass ich nicht sehr gefühlvoll bin?« Ich war richtig enttäuscht.
    »Überhaupt nicht.« Er lächelte und strich mir wieder übers Haar. »Ich glaube, das hat nichts mit dir zu tun, sondern mit dem Amulett. Wenn du es trägst, kann ich nichts sehen. Keine Aura, nichts.«
    »Also weißt du nicht, ob ich glücklich bin oder nicht?«
    »Nein, aber wenn du das Amulett abnehmen würdest, könnte ich es vielleicht.«
    »Wenn ich das Amulett abnehmen würde, könnte ich dich nicht mehr sehen und wäre unglücklich. In dem Fall gäbe das auch keine brauchbare Aura.« Ich versuchte herumzublödeln, um zu vergessen, dass er jeden Moment in Verzweiflung versinken konnte. Er saß so ruhig da, so wunderschön und stark. Die Vorstellung, ihn von Trübsal niedergedrückt zu sehen, war kaum zu ertragen.
    »Du hast vorhin gesagt, dass du nicht so unglücklich bist wie die anderen. Wieso wirst du dann schwermütig?«
    »Ich kann nichts dagegen tun. Das ist ein bisschen so, wie hungrig zu werden. Das Amulett speichert eine riesige Menge von Erinnerungen, und ich versuche, meines nie ganz leer gehen zu lassen. Wenn ich es immer wieder mit ein paar Erinnerungen auffülle, kann ich einen erträglichen Zustand beibehalten. Aber die meisten von uns können nur auf dasselbe Maß von Schwermut kommen, das sie hatten, als sie merkten, dass sie sterben würden. Sie sind …« Er stockte kurz. »… unglücklicher als ich. Ich habe nie daran geglaubt, dass ich sterben könnte«, schloss er vorsichtig.
    Das bedachte ich einen Augenblick. »Wie kannst du das ertragen, mit all diesen unglücklichen Leuten zu leben?«
    »Mir bleibt keine andere Wahl«, erinnerte er mich sanfter, als ich es verdient hatte. »Ich existiere eben so. Nur so.«
    Ich spürte, wie ich rot wurde. Natürlich hatte er keine andere Wahl. »Tut mir leid. Das war blöd von mir.«
    Er lächelte, um mir zu zeigen, dass er nicht sauer war, und legte für einen Augenblick seine Hand auf meine Schulter. Eigentlich wollte ich nicht, doch die nächste Frage kam wie von selbst. »Wie lange bist du schon so? Ich meine, wann ist das passiert?« –, doch ich war mir gar nicht sicher, ob ich die Antwort hören wollte. Wenn das nun schon Hunderte von Jahren her war? Das wäre zu gruselig. Ich wartete auf seine Antwort und hielt den Atem an.
    »Noch nicht so lange, wie du vielleicht denkst.« Er grinste und zupfte an seinem Umhang. »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube nicht, dass es schon sehr lange her ist.« Wieder unterbrach er sich kurz. »Das Blöde ist, wenn du versinkst, verlierst du jedes Zeitgefühl. Ich bin nur einmal so richtig abgesunken, aber ich glaube, dass man leicht die Orientierung verlieren kann, wenn die ganzen alltäglichen Angewohnheiten wie zum Beispiel die Mahlzeiten fehlen.«
    Ich betrachtete ihn, wie er in Gedanken verloren mit meinen Haaren spielte. Seine Augen blickten grüblerisch, und ab und zu zerfurchte ein leichtes Stirnrunzeln seine sonst glatte und gebräunte Stirn. Ich würde es niemals leid werden, sein Gesicht zu betrachten. Einen Augenblick lang legte er seine Wange gegen meine, und zum hundertsten Mal wünschte ich, ich könnte sein Gesicht berühren und spüren.
    »Was ist denn mit dem Umhang? Warum bist du angezogen wie im Mittelalter?«
    »Das kann ich leider nicht selbst entscheiden. Irgendwie hängt das mit unserem Problem zusammen.«
    Ich blickte ihn fragend an.
    »Alle Versunkenen tragen diese Umhänge. Anders als die Amulette sind sie unser einziger wirklicher Besitz. In St. Paul’s gibt es eine riesige Kiste voll damit, und jeder Neuankömmling sucht sich einen aus. Er hilft, uns etwas voneinander abzuschirmen, damit jeder ein bisschen für sich sein kann.«
    »Und du musst nie deine Kleider wechseln?«
    »Nein. Gefallen sie dir nicht?«, fügte er mit einem frechen Grinsen

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