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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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war, wie sie da alle standen, ganz ruhig und still, während die Touristen durch sie hindurchgingen. Ich drückte Catherines Hand, zeigte auf die schweigende Gruppe, und sie riss sich los, stürzte die Stufen hoch auf die ungerührte Reihe zu. Sie stieß sie an, zog an ihren Kleidern und schrie:
Was habt ihr gemacht? Was habt ihr mit mir gemacht?,
immer und immer wieder. Sie standen geduldig da, bis Catherine sich völlig verausgabt hatte und vor ihnen zusammenbrach.
    Die seltsamen Fremden sahen fast gleich aus, auch wenn sie unterschiedlich gekleidet waren, alle trugen sie den gleichen Kapuzenumhang.« Er zupfte an seinem eigenen Umhang. »Sie sahen irgendwie entschlossen aus, und sie waren gegenüber Catherines Flehen völlig gleichgültig.
    Schließlich trat eine stämmige Gestalt aus ihrer Mitte hervor und hob die Hand, als wollte er jegliche Fragen abwehren.
    Es tut mir leid um alles, was du verloren hast, aber du bist willkommen,
verkündete er.
Viele Jahre lang hatten wir keine neuen Gesichter. Versucht euch zu beruhigen. Es gibt keinen Grund, sich so aufzuführen.
    Vorsichtig näherte ich mich ihm, versuchte, meine Angst nicht zu zeigen und ihn mit fester Stimme zu begrüßen. Mir gegenüber schien er viel mitfühlender zu sein, als er gegenüber Catherine gewesen war. Später habe ich herausgefunden, dass er emotionale Ausbrüche hasst, und insofern hatten wir einen schlechten Start.« Er lächelte mich zaghaft an.
    Das war alles viel zu seltsam, zu entsetzlich und zu … unglaublich. Aber er erzählte mit solcher Leidenschaft, dass ich nicht einen Moment an ihm zweifelte.
    »Wir gingen gemeinsam in die Kathedrale, und ihr Sprecher erklärte uns, was uns zugestoßen war. Sie alle waren Menschen, die im Fluss Fleet ertrunken waren. Und das waren Catherine und ich auch.«
    Ich blickte ihn verdutzt an. »Aber … ihr seid doch von einer Themsebrücke gesprungen, hast du gesagt. Wo in aller Welt ist der Fleet?«
    »Das habe ich auch als Erstes gefragt. Der Fleet war einst ein großer Fluss, der von Hampstead zur Themse floss, doch im Laufe der Jahre ist er sozusagen überbaut worden, und nun verläuft der Fleet weitestgehend unterirdisch.«
    Ich blickte ihn fragend an. »Aber wie …?«
    »Ich weiß, es ist wirklich verrückt. Es ist so, dass das Wasser des Fleet unter der Blackfriars Bridge durch einen Durchlass in die Themse fließt. Als ich die Leiter ergriffen und versucht habe, uns beide hochzuziehen, habe ich uns von der Themse in das wärmere Wasser des Fleet befördert, und das reichte schon.« Er unterbrach sich wieder, sah mich an und schlug dann die Augen nieder. »Irgendwas ist mit dem Wasser, ist
in
dem Wasser, das den Tod aufhält. Stattdessen bleibt man, so wie ich, in einem grässlichen Halbleben stecken.
    Wir waren also weder lebendig noch tot, sondern einfach abgehängt. Wir waren dazu verurteilt, für immer mit diesem Gefühl von Unheil zu existieren, das wir empfanden, als wir dabei waren zu ertrinken. Irgendwas in diesem Wasser hat uns für alle Ewigkeit dazu verdammt, traurig zu sein.«
    »Aber du hast doch nur versucht, jemandem das Leben zu retten. Wie kann etwas so ungerecht sein?«
    »Glaub mir, ich hatte mehr als genug Zeit, um über diese Frage nachzudenken. Aber«, ganz unerwartet grinste er, »es scheint so zu sein, dass ich mir in dem Augenblick, als ich tatsächlich ertrank, so sicher war, dass ich uns gerettet hätte, dass ich nicht annähernd so trübselig bin wie die anderen. Noch nie zuvor hat es einen glücklichen Versunkenen gegeben. Ihnen wäre es lieber, ich wäre nicht bei ihnen.«
    »Versunkene?«
    »Das ist unser Begriff für das, was wir sind, gefangen in unserem Halbleben, weder das eine noch das andere.«
    »Du wirst also bis in alle Ewigkeit ein Versunkener sein? Gibt es denn gar keinen Ausweg?« Ich versuchte, mein aufsteigendes Entsetzen nicht mitklingen zu lassen.
    »Gute Frage«, bestätigte er. »Der Schlüssel zu allem ist das hier.« Er hob den Arm, so dass ich den Reif an seinem Handgelenk sehen konnte. Der Stein schimmerte und tanzte im Licht.
    Ich hob zweifelnd die Augenbrauen. »Das Amulett? Wie das?«
    »Gleich nachdem wir zu den anderen gestoßen waren, haben sie es uns gezeigt. Catherine und ich hatten gar nicht gemerkt, dass wir sie am Arm unter unseren Kleidern trugen, seit wir an Land geklettert waren.« Er zögerte kurz. »Sie gehen nie ab, und wir können sie kaum richtig spüren. Es fühlt sich an, als wäre das Amulett ein Teil von

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