Nur ein Hauch von dir
hinzu.
»Ich mag den Umhang, schön gothic«, meinte ich. »Aber ziehst du …« Meine Stimme verebbte. Plötzlich war es mir peinlich, in welche Richtung meine Gedanken gingen.
Er sah genau so aus, als könnte er jetzt gerade meine Gedanken lesen. »
Zieh ich
was?«, fragte er unschuldig. Er hatte seinen Spaß an meinem Unbehagen.
»Äh, also, hm …« Ich konnte mich nicht überwinden, es auszusprechen. Dabei wollte ich doch bloß wissen, ob er den Umhang auch mal abnahm. Erst einmal hatte ich einen kurzen Blick auf seine Brust werfen können, ich ging davon aus, dass er großartig gebaut war. Ich merkte, wie ich mal wieder rot wurde, und schaute schnell zu Boden.
Als ich wieder zu ihm hinsah, grinste er immer noch über meine Schüchternheit, die eine Augenbraue leicht angehoben.
Krampfhaft suchte ich nach einer lässigen Antwort. »Ach, ich hab mich einfach gefragt, wie du ihn wäschst und so.«
Er wusste genau, dass ich log, antwortete aber ernsthaft. »Nein. Wir werden nicht schmutzig.« Er warf mir von der Seite einen Blick zu. Meine Backen waren immer noch heiß, und ich versuchte mit aller Macht weiter, an etwas anderes zu denken.
»Aber es stimmt schon«, fügte Callum nachdenklich hinzu, »vielleicht wäre es gar nicht so übel, die Sonne und den Wind mal zu spüren. Warte kurz.« Es gab ein kurzes Kribbeln und er war nicht mehr hinter mir. Schnell suchte ich ihn mit dem Spiegel. Er stand ein paar Meter entfernt und löste den Knoten von der Kordel, die seinen Umhang zusammenhielt. Er ließ das schwere Gewand auf den Boden fallen. In großen Falten bauschte sich der Stoff zu seinen Füßen.
Ich schnappte nach Luft. Er sah noch besser aus, als ich mir vorgestellt hatte. Das taillierte weiße Hemd war nicht ganz bis oben zugeknöpft und hing lässig über eine gut sitzende dunkle Hose. Er war groß und schlank. In der wirklichen Welt hätte er ein Vermögen als Model verdienen können.
Als er sich bückte, den Umhang aufhob und ihn lose zusammenfaltete, konnte ich seine Muskeln unter der leichten Kleidung spielen sehen.
Er wandte sich um und erwischte mich, wie ich ihn im Spiegel beobachtete. Mit wenigen schnellen Schritten war er wieder bei mir. Durch das Hemd konnte ich die Umrisse seiner starken Arme erkennen. Ich sehnte mich danach, seine Berührung spüren zu können. Einen Moment lang ließ ich meine Gedanken treiben, stellte mir uns beide vor, wie wir Hand in Hand liefen und zum Küssen stehen blieben.
Ich seufzte.
Er verstand meine Stimmung, blieb still und strich mir zärtlich über die Wange.
»Glaubst du, dass es eine Möglichkeit gibt, dass wir jemals zusammenkommen? Ich meine richtig?«, wagte ich nach einer Weile zu fragen.
Nun war er es, der seufzte. »Ich wüsste nicht, wie. Wir leben in verschiedenen … Welten, und ich kenne nur eine Möglichkeit, in die meine zu kommen.« Seine Stimme wurde bitter, und ich dachte an seine Geschichte.
»Ich verstehe immer noch nicht wirklich, warum dir das passiert ist«, sagte ich traurig.
»Das frage ich mich selbst an jedem einzelnen Tag. Ich verstehe es kein bisschen besser als du. Nachdem mir die anderen erzählt hatten, was aller Wahrscheinlichkeit nach passiert ist, habe ich mir angesehen, wo der Fleet in die Themse mündet. Wenn es regnet, kannst du richtig sehen, dass sich dort zwei Flüsse vereinigen. Ich denke, ich habe mein Leben im falschen Wasser verloren.« Sein Gesicht wirkte so finster wie in den ersten Visionen, die ich von ihm hatte.
»Aber warum passiert das? Und warum müssen alle so schrecklich trübselig sein?«
»Das weiß niemand. Und alle anderen sind zu sehr von ihrem Kummer in Beschlag genommen, um darüber groß nachzudenken.«
»Wie könnte man das herausfinden?« Ich seufzte mitfühlend. Er lachte bitter auf. »Also, ich sehe die Leute noch nicht für ein Experiment in der Warteschlange stehen, bei dem sie vielleicht ertrinken, vielleicht aber auch nicht. Oder nicht ganz. Du etwa?« Während Callum sprach, verschwand die Sonne plötzlich hinter einer vereinzelten Wolke, und für einen Moment wirkte der Tag düster, passend zu seiner Stimmung.
»Wenn ihr da über hundert seid, muss der Fleet ja zu seiner Zeit ein gefährlicher Fluss gewesen sein.« Ich schauderte beim Gedanken an all diese qualvollen Tode.
»Ja, er scheint schon einige erwischt zu haben.«
»Bist du dir denn sicher, dass du da für immer sein wirst? Gibt es wirklich keinen Ausweg?«, fragte ich, ohne nachzudenken, und verfluchte mich
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