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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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meine Kontakte durch, bis ich seine Nummer fand, und drückte die Anruftaste. Ich wartete, dass sich die Verbindung aufbaute und es tutete, doch dann kam ein Klicken. Er hatte mich weggedrückt.
    Ich konnte es nicht fassen und versuchte es noch einmal. Eine mechanische Stimme informierte mich, dass der Teilnehmer zurzeit nicht erreichbar sei und ich es später wieder versuchen solle. Erneut schaute ich auf die Uhr – weitere zwei Minuten verloren. Was würde Catherine tun? Würde sie einfach derjenigen Person ihre Erinnerungen nehmen, die das Amulett bei sich trug? Wenn Catherine auf der Suche nach glücklichen Erinnerungen war, dann hatte Grace eine Menge zu bieten. Doch Grace würde Catherine instinktiv Widerstand leisten, das wusste ich. Würde Catherine abbrechen, wenn sie das bemerkte? Würde sie merken, dass Grace nicht diejenige war, deren Erinnerungen sie löschen sollte?
    Meine Bedenken wegen Catherine und ihrer Motive, die ich in meinem verzweifelten Wunsch, von der großen Traurigkeit befreit zu werden, immer wieder weggedrängt hatte, waren auf einmal alle wieder da. Sofort war ich mir sicher, dass Catherine sich alle Erinnerungen nehmen würde, ob es nun die von Grace waren oder meine. Ich war bereit gewesen, das Risiko in Kauf zu nehmen, doch nun, das es um Grace ging, spürte ich – nein, wusste ich –, dass sie in tödlicher Gefahr war.
    Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder versuchte ich weiter, sie anzurufen, oder ich fuhr selbst hin und nahm ihr das Amulett wieder ab. Je länger ich mich noch bemühte, irgendeine Nummer von den anderen herauszufinden, desto weniger Zeit blieb mir. Schnell grapschte ich mir meinen Rucksack, raste die Treppe runter und zum nächsten Ausgang raus. Ich konnte nur hofften, dass niemand von den Lehrern meinen plötzlichen Abgang bemerkte.
    Unterwegs kramte ich nach den Autoschlüsseln und versuchte, gar nicht daran zu denken, gegen wie viele Gesetze ich verstieß. Aber es war meine einzige Chance. Josh steckte in seiner Prüfung und konnte nicht helfen, und der Bus war nicht schnell genug.
    Während ich mich auf den Fahrersitz schob, blickte ich wieder auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten. Das Schultor stand zum Glück offen, und so war ich schnell auf der Straße. Ich musste mich beherrschen, das Gaspedal nicht voll durchzudrücken. Ich fuhr bis zur großen Kreuzung an der zweispurigen Straße und saß dann da, trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad und wartete auf eine Lücke im Verkehr.
    »Jetzt nicht abwürgen! Nicht abwürgen! Nicht abwürgen!«, murmelte ich vor mich hin, als ich meine Chance zwischen einem Laster und einem Lieferwagen entdeckte. Und dann hatte ich Glück – die Straße nach Kew war fast leer. Ich gab Gas und versuchte, etwas Zeit wettzumachen.
    Beim Fahren verfolgte mich die Vision von Grace, traurig, einsam und verloren, nachdem ihr Catherine jegliche Erinnerung an Jack abgesaugt hatte, und ich konnte auch das nächste Bild nicht abschütteln: Grace schlapp und leer und mit unheilbar entleertem Gehirn.
    Als ich in die Kew Road einbog, hatte ich schweißnasse Hände. Noch fünf Minuten zu fahren, dann blieben noch fünf Minuten, um zu parken und um dreihundert Morgen Park abzusuchen. Mir sank der Mut. Wie konnte ich nur glauben, dass das möglich wäre?
    Aber ich wusste doch, wo sie waren. Mir fiel ein, was Eloise gesagt hatte. Sie wollten zum Sprossenweg durch die Baumkronen im südöstlichen Teil des Parks, nicht weit von der Stelle, wo ich gerade war.
    Ich fuhr weiter, bis ich den ersten Besuchereingang sah. Vor Jahren war ich schon ein paarmal hier gewesen, doch ich war mir nicht sicher, ob ich den Weg wiederfinden würde. Der Straßenrand war zugeparkt. Ich durfte keine Zeit verlieren. Ich stellte den Wagen direkt neben dem Eingang ab, stieg aus und sah auf die Uhr. Drei Minuten.
    Mit einem entschuldigenden Blick drückte ich mich an der kleinen Warteschlange vorbei, sprang über die Sperre und rannte los.
    Die Frau hinter dem Kartenschalter schrie hinter mir her, hatte aber keine Chance, mich einzuholen. Ich rannte, so schnell ich konnte. Wenn ich nach Luft schnappte, brannte meine Lunge, doch ich rannte weiter.
    Dann konnte ich den Sprossenweg vor mir sehen, gleich bei der Pagode. Mit einem schnellen Blick registrierte ich, dass es genau elf Uhr war. Ich war zu spät. Irgendwo hier, irgendwo ganz nah sog Catherine Grace in diesem Moment die Erinnerungen ab! Sie würde Grace’ Gefühle und Gedanken nehmen, ihr etwas nehmen, was sie

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