Nur ein Hauch von dir
zu Boden.
16 Krankenhaus
Ich versuchte, mich aus der Finsternis herauszukämpfen, mir meinen Weg durch den seltsamen Nebel in meinem Kopf zu ertasten. Aber sosehr ich mich auch abmühte, alles blieb dunkel. Mein Körper fühlte sich so schwer an, und meine Arme lagen taub und nutzlos neben mir. Wo war ich? Der Nebel wirbelte und wurde dichter, und ich spürte, wie mein Geist abtrieb – das war so viel einfacher, als zu denken. Aber ich wusste, dass ich aus einem wichtigen Grund irgendwo gewesen war. Irgendjemand wartete auf mich. Ich musste dahin zurück, wusste bloß nicht, wie und wohin.
Ich versuchte, mich zu konzentrieren, doch da war nichts. Mein Kopf war einfach … leer. Ich konnte leises Flüstern von Gedanken fühlen, doch jedes Mal, wenn ich versuchte, sie zu fangen, waren sie weg, wie Irrlichter.
Da ich von meinem Kopf keine Rückmeldung bekam, testete ich, ob mein Körper funktionierte. Ich holte tief Luft und versuchte, ob ich meine Finger spüren konnte. Gut, sie waren da, aber ich konnte sie nicht bewegen. Ich versuchte es mit meinen Füßen, doch auch die konnte ich nicht rühren. Sehen konnte ich nicht, doch konnte ich hören?
Kaum hatte ich das gedacht, nahm ich entfernt ein Geräusch wahr – ein kurzes Piepen. Dann wieder eines und dann noch eins. Es wurde lauter und wuchs zu einem ohrenbetäubenden Lärm. Es wurde schneller, bis es kaum noch zu ertragen war. Ich versuchte, wieder gleichmäßig durchzuatmen, und allmählich beruhigte das Piepen sich wieder. Leider konnte ich es nicht dazu bringen aufzuhören, sosehr ich mich auch konzentrierte. Ich wünschte mich wieder in den stillen Nebel zurück – der war bedeutend weniger lästig gewesen.
Allmählich nahm ich ein weiteres Piepen wahr, diesmal ein bisschen weiter weg. Dann ein quietschendes Geräusch, fast wie Gummisohlen auf Linoleum.
»Hallo?«, hörte ich eine bebende Stimme, »Entschuldigung …«
»Mrs Moyse, was ist denn?«
»Oh …«
»Tut es noch weh?«
»Wo bin ich denn?«, fragte die müde Stimme.
»Sie sind im Krankenhaus, Mrs Moyse. Versuchen Sie nicht aufzustehen. Sie liegen auf der Intensivstation. Sie haben uns alle ein bisschen erschreckt. Ihre Familie wartet draußen, soll ich sie holen?«
»Oh …«
Als die quietschenden Schritte verklangen, hörte ich neben mir ein beinahe lautloses Schluchzen, als hätte jemand schon so viel geweint, dass keine Tränen mehr übrig waren.
»Oh, Alex, komm doch zurück zu uns«, flüsterte eine Frauenstimme. »Ich bin’s, Mum! Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst, aber die Ärzte sagen, dass es gut sein kann. Ich rede einfach weiter, bis du …« Ihre Stimme brach, und ich spürte etwas Nasses auf der Hand.
Nach einer kurzen Pause und einem Schnäuzen setzte die Stimme wieder ein. »Was ist dir und Grace bloß bei der Pagode passiert? Grace kann sich an nichts mehr erinnern. Die Sanitäter haben gesagt, dass ihr vielleicht irgendetwas Giftiges eingeatmet habt, aber alle Tests sind negativ. Niemand weiß, wie man dir helfen kann.«
Ich versuchte, den Kopf von dem kriechenden Nebel freizubekommen. Mum? Grace? Ich spürte, dass ich diese Menschen kennen sollte, aber dort, wo die Bilder ihrer Gesichter in meinem Kopf sein müssten, war nichts. Was hatte ich bei dieser Pagode gemacht? Welche Pagode? Der Nebel schob sich wieder über meine Gedanken, aber ich zwang mich, weiter zuzuhören.
Das Piepen wurde wieder schneller, und etwas, das jemand gesagt hatte, kratzte in meinem Kopf. Was war es nur? Es gab da eine Verbindung zwischen dem komischen Piepen und diesem Erinnerungsfetzen.
»Du hast massenhaft Blumen bekommen«, fuhr die Frauenstimme leise fort, »aber sie erlauben nicht, dass wir sie herbringen. Und ganz viele Karten, eine riesige von deiner Klasse ist dabei – ich lese sie dir später vor, wenn du wieder wach bist –, auch eine sehr nette Karte von Rob.« Die Stimme wurde nachdenklicher. »Er war sehr bestürzt, als er mit mir gesprochen hat. Habt ihr noch einen Streit gehabt? Ich hab gedacht, ihr hättet Schluss gemacht, aber er scheint dich immer noch zu mögen.« Die Stimme schwieg einen Moment. »Er meinte, dass du in letzter Zeit ganz schön durcheinander gewesen bist, aber ich glaube nicht, dass du irgendwas Leichtsinniges getan hast. Du nicht. Du bist immer so voller …«
Die Stimme zerfloss plötzlich, und die Frau fing aus tiefstem Herzen zu weinen an. Was hatte sie denn? Wer war dieser Rob und was war zwischen uns gewesen? Warum regte sie
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