Nur ein Jahr, Jessica!
schön, Lillepus?“
Elaine rannte zu ihr. „Oh, prima, Tante Elsbeth! Ein ganz, ganz kleines Okapikälbchen! Und dann hat es geregnet, und wir waren beinahe allein, aber dann kam die Sonne und so viele Menschen. Aber für dich ist es ja schön, daß die Sonne scheint, dann kannst du im Garten sitzen.“
„Lillepus, lauf doch in die Küche, auf dem kleinen Tisch steht ein Teller voll Kotelettknochen für Barry.“
„Das ist aber fein, tausend Dank! Ich komme nachher und erzähle dir alles. Weißt du, ich sah auch ein winzig kleines Nasenäffchen, das hatte ein kleines Stupsnäschen – aber jetzt muß ich schnell essen, dann komme ich!“
Elaine rannte los und holte die Knochen für Barry. Die freundliche alte Dame wechselte ein paar Worte mit Frau Grather, die mich vorstellte, und dann gingen wir nach oben. Die Wohnung lag im ersten Stock. Frau von Krohn – „Tante Elsbeth“ –, die Hauseigentümerin, konnte seit ein paar Jahren schlecht Treppen steigen und hatte sich im Erdgeschoß einquartiert. Die früheren Schlaf-, Kinder- und Gästezimmer waren jetzt zu einer ganz reizenden Dreizimmerwohnung eingerichtet worden.
„Ja, wir sind hier glücklich!“ sagte Frau Grather, als ich ein paar Worte über die hübsche Wohnung äußerte. „Wissen Sie, die drei ersten Jahre wohnten wir ganz unten. Eigentlich gehörte die Wohnung zum Kellergeschoß, aber weil das Haus an einem Hang liegt, lagen unsere Zimmer doch über der Erde. Dann bekamen wir diese Wohnung hier, und unten hat mein Mann jetzt sein Arbeitszimmer. Dann gehört noch ein Fremdenzimmer mit eigenem Bad dazu. Ist das nicht vornehm? Sie wissen also, wo Sie hingehen können, wenn Ihre Gnädige Sie eines Tages rauswirft! – So, nun werden wir mal sehen, was sich im Backofen tut. Hoffentlich hat Elaine die Zeitschaltuhr richtig eingestellt – ja fein, die ganze Küche duftet ja nach Hammel mit Kohl!“
„Was?“ rief ich. „Gibt es Hammel in Kohl, richtig auf norwegisch?“
„Ja, genau das – kennen Sie es?“
„Und ob!“ Ich mußte schnell die Geschichte mit meinem Hammel in Kohl und der Zeitschaltuhr erzählen.
Frau Grather lachte laut. „Sie Ärmste! Wissen Sie, ich wäre geplatzt vor Wut, glaube ich!“
„Ich war auch kurz davor. In solchen Augenblicken muß ich krampfhaft an das gute Gehalt denken, dann schaffe ich es gerade.“
„Eins ist mir klar“, meinte Frau Grather, als wir um den Tisch in der gemütlichen Eßecke in der Küche saßen. „Sie leisten wirklich etwas für Ihr gutes Gehalt!“
„Nun ja“, gab ich zu. „Ich leiste sehr viel Selbstbeherrschung und muß viel Geduld aufbringen. Aber die Arbeit an sich ist leicht. Du lieber Himmel, ich kann spielend an einem Tag die große Wäsche schaffen, bei all den Maschinen. Das heißt, ich könnte es, wenn die Gnädige mich in Ruhe ließe. Aber daran hapert es eben.“
„Aber wissen Sie, diese Dame müßte doch eigentlich für Sie als Medizinerin ein interessantes Studienobjekt sein! Haben Sie nicht Lust zu ergründen, warum sie so geworden ist? Ja, denn ein Grund muß ja vorliegen!“
„Dasselbe schreibt mein Verlobter“, erzählte ich. „Er spielt mit dem Gedanken, sich als Psychiater ausbilden zu lassen.“
„Ach, Ihr Verlobter ist auch Mediziner? Und wo sitzt er nun?“
„Er sitzt nicht, er steht oder läuft. Jetzt sind ja wieder Semesterferien, und er hat seinen alten Ferienjob als Tankwart aufgenommen. Er sitzt, steht oder läuft in Kiel.“
„So weit weg!“
„Ja“, sagte ich und mußte plötzlich schlucken. „Ich – ich sehne mich ganz fürchterlich nach ihm. Aber ich sage mir immer: ,Nur ein Jahr, nur ein Jahr’ - und jetzt fehlen tatsächlich nicht mehr als acht Monate.“
„Sie vergessen ja zu essen!“ rief Frau Grather. „Langen Sie bloß zu, ich habe sehr viel, wie Sie sehen! Genug für heute und für übermorgen, wenn mein Mann nach Hause kommt. Er behauptet immer, daß Hammel in Kohl nach dem siebten Aufwärmen am besten schmeckt!“
„Mutti, darf ich schon das Kompott essen? Tante Elsbeth wartet bestimmt auf mich!“
„Na gut, ausnahmsweise. Und bürste deine Haare, bevor du zu Tante Elsbeth gehst!“
Elaine verschlang ihr Kompott in Windeseile, stand auf und sagte ein paar norwegische Worte, küßte ihrer Mutter die Wange und verschwand samt Hund und Katze.
„Denken Sie sich, ich verstand das, was Elaine auf norwegisch sagte!“ prahlte ich. „,Takk for maten’ bedeutet doch ,Danke fürs Essen?’ So sagt auch immer der junge
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