Nur ein Katzensprung
sicher.“
Kaum öffnete sich Hanskes Haustür auch nur einen Spalt breit, klickten die Kameras. Hanske hielt sich die Hände vors Gesicht und zerrte Kofi in den Windfang. Die Tür zum Haus selbst war fest verschlossen und undurchsichtig.
„Was wollen die?“
„Mit Ihnen reden. Ihre Version der Geschichte hören.“
„Welche Geschichte?“
„Den Grund, warum jemand ,Kinderschänder‘ an Ihre Hauswand gesprayed hat.“
„Kinderschänder? Wie kommen die denn darauf?“ Hanske war so bleich geworden, dass seine Augen in tiefen Höhlen zu liegen schienen.
Kofi hob eine Augenbraue und sagte nichts.
Hanske wand sich. Dann sagte er zögernd: „Das geht niemanden etwas an. Ich wollte hier einen neuen Anfang, wollte alles hinter mir lassen. Die haben kein Recht, mir das alles kaputt zu machen.“
„Was wollten Sie hinter sich lassen? Die Kinder? Die Vorwürfe?“
„Hören Sie auf. Ich wurde immer freigesprochen, immer. Aber das interessiert keinen. Warum dürfen die weiter auf mir herumhacken, obwohl ich mir nachweislich nichts zu Schulden kommen ließ?“
Kofi ignorierte die Frage. Selbstverständlich war es nicht gerecht, dass nach so einem Vorwurf, selbst wenn er tatsächlich völlig aus der Luft gegriffen war, immer etwas hängen blieb. Allerdings war er höchstpersönlich felsenfest davon überzeugt, dass in den seltensten Fällen nicht doch wenigstens ein Krümelchen Wahrheit an solch einer Anschuldigung war. Und ein Krümelchen war eben ein Krümelchen und eindeutig untragbar und vor allem unentschuldbar. „Sie haben sich selbstständig gemacht. Als Personal Trainer, da ist das schlechte Publicity, oder?“
„Schlechte Publicity? Das ist eine Katastrophe. Glauben Sie ernsthaft, jemand vertraut mir sein Kind an, wenn solche Gerüchte die Runde machen?“
„Kind, wieso Kind?“
„Was dachten Sie denn? Greise?“
„Ich meinte, Sie würden übergewichtige Manager beim Abnehmen unterstützen.“
„Quatsch, Kinder sind meine Leidenschaft.“
„Wie soll ich das verstehen? Ist das ein Geständnis?“
„Sind Sie völlig bescheuert?“
Kofi trat einen Schritt auf Hanske zu. „Mäßigen Sie sich!“
„Entschuldigung.“ Hanske wischte sich mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht. „So war das nicht gemeint.“
„Wie denn sonst? Erklären Sie es mir?“
„Wenn Kinder Leistungssportler werden sollen, dann müssen sie so früh wie möglich gefördert werden, müssen vielfältige Trainingseinheiten absolvieren. Die meisten Eltern sind damit überfordert. Sie haben weder die Zeit noch die Kenntnisse dafür. Deshalb kümmere ich mich darum. Ich erkenne recht bald, ob ein Kind echtes Talent hat. Dann muss man es unterstützen und fordern, ohne es zu verschrecken, zu überfordern. Die Leistung muss ständig ansteigen. Wenn mir das gelingt, wenn ein Kind langsam aber sicher über sich hinauswächst, weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe.“
Kofi fragte leise: „Ist Kelvin solch ein Ausnahmetalent? Wollten sie ihn ebenfalls trainieren?“
„Der Junge hat Talent, ja, aber keinen Biss. Ihm ist nur der Sieg wichtig, nicht der Sport, nicht der Wettkampf, schon gar nicht die Mannschaft. Und er lässt sich viel zu leicht frustrieren.“
„Trotzdem hätten Sie ihn privat trainiert, wenn Frau Jänicke Sie darum gebeten hätte?“
„Hat sie.“
Er scharrte mit der Fußspitze über die Bodenfliesen. „Ich habe ihr einen Preis genannt, den sie niemals bezahlen konnte.“
Zum ersten Mal verspürte Kofi ein wenig Achtung für den Mann. Plötzlich hatte er eine Eingebung. „Wen trainieren Sie denn gerade?“
„Zwei Handballer aus Elze und eine Schwimmerin aus Hildesheim, die einen Autounfall hatte und an ihrer Kondition und Beweglichkeit arbeiten muss.“
„Kein Holzmindener Sportler?“
„Im Moment nicht.“ Hanskes Blick schweifte ab. „Was haben die geschrieben? Kinderschänder?“ Er flüsterte nur noch. „Wieso machen die das?“
Kofi wusste keine Antwort. Er wusste auch nicht, ob er Mitleid mit Hanske haben sollte. Der große Mann wirkte, als habe jemand die Luft aus ihm herausgelassen. Hanske war ihm unsympathisch, er benahm sich dämlich, aber wenn an den Vorwürfen nichts dran war, konnte er einem schon leidtun. Konnte, tat er aber nicht. Kofi verstand sich selbst nicht. Hegte er trotz allem einen Verdacht gegen Hanske?
„Von drei Auftraggebern können Sie aber nicht leben, oder?“
„Ich coache noch ein paar Rehapatienten und bis vor drei Wochen ein Mädchen,
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