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Nur ein Katzensprung

Nur ein Katzensprung

Titel: Nur ein Katzensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Hartmann
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zivilisiert verhalten.“
    „Was soll das denn heißen? Halten Sie uns für Wilde?“ Ein Mann stellte sich mit verschränkten Armen vor den beiden Polizisten auf.
    Kofi ging auf ihn zu, um ihn zu beschwichtigen. Doch der Mann schubste ihn zurück. Automatisch nahm Kofi eine Abwehrhaltung ein. Guntram rief ihm etwas zu, was Kofi nicht verstand. Der Mann hob die Hände und sagte: „Keine Panik, schon gut, war nicht so gemeint.“
    Kofi sah sich um. Alle standen still, fast schien es, als hätten sie die Luft angehalten.
    „So, und jetzt schnappt sich jeder sein Kind und geht nach Hause, jedoch liefert ihr vorher die Armbinden bei mir ab, aber pronto.“
    Kofi fand die Wortwahl seines Kollegen recht ungeeignet, aber es funktionierte trotzdem. Einer nach dem anderen übergab ihm die Binde und verließ die Schule. Niemand sprach ein Wort, solange die Polizisten in der Nähe waren. Doch Kofi konnte sehen, dass sich vor der Tür, auf der Straße, kleine Grüppchen bildeten, die heftig gestikulierten. Er schätzte, dass Gerd Schwarze innerhalb der nächsten vier bis fünf Minuten erfuhr, dass die Bullen die Binden eingesammelt und die Bürgerwehr verboten hatten.
    Kofi fröstelte erneut. Dabei schien draußen die Sonne. Welch ein Glück, dass Mausig sich darum kümmern würde.
    Frau Ebenreiter hatte ihre Hand auf Kims Schulter gelegt und fragte: „Willst du mit Paul nach Hause gehen?“
    Kim schüttelte den Kopf.
    Kofi und Frau Ebenreiter sahen sich überrascht an. Paul war inzwischen aufgestanden und tappte auf Kim zu. Frau Ebenreiter schob sie zwischen sich und Kofi.
    Paul streckte die Hand aus und sagte: „Wir gehen zum Partyservice. Anna backt Flammkuchen, die sind lecker. Zum Mittagessen für uns und für die Kunden heute Abend. Komm, Kim.“
    Das Mädchen wollte zu ihm laufen, doch Frau Ebenreiter hielt sie fest. „Du hast doch eben gesagt, du willst nicht mit ihm weggehen.“
    Kim sah sie prüfend an. „Du hast gefragt, ob ich mit ihm nach Hause gehen will.“ Sie gluckste. „Das will ich nicht. Ich weiß gar nicht, wo er wohnt. Wir gehen zusammen zu Anna.“
    „Werdet ihr zu Fuß unterwegs sein?“
    Kim senkte den Kopf.
    Kofi bemerkte, dass die Erwachsenen den Atem anhielten. Was stimmte da nicht?
    Plötzlich flüsterte Kim: „Ihr dürft nicht mit Paul schimpfen.“
    „Warum sollten wir das?“
    Kim sah von einem zum anderen.
    „Manchmal“, sagte sie, „manchmal, wenn meine Mama keine Zeit hat und Anna auch nicht, kommt Paul mit dem Fahrrad, um mich abzuholen. Er wartet draußen unter dem Baum auf mich.“
    Sie machte eine kurze Pause, holte tief Luft und sprach dann weiter. „Wenn wir um die Ecke gebogen sind, setze ich mich auf den Gepäckträger, und dann fahren wir. Ich weiß, dass das verboten ist, aber es macht Spaß, und ich bin mittags nach der Schule immer so müde.“
    Das erklärte zumindest, warum bisher noch niemand wahrgenommen hatte, dass Paul Kim gelegentlich abholte.
    „Wie oft macht ihr das denn?“
    „In diesem Schuljahr zweiunddreißig Mal, aber heute habe ich kein Fahrrad dabei. Es hat einen Platten. Komm Kim, wir gehen, Anna wartet. Sie sorgt sich.“
    Kofi wechselte einen schnellen Blick mit Guntram. „Warten Sie, Paul, Kim, wir bringen euch zu Anna.“
    Erst wollte er noch hinzufügen, das ist sicherer, doch dann fiel ihm ein, dass er Anna gleich sehen würde, und plötzlich wusste er gar nicht mehr, ob das so eine gute Idee war. Mit dem Einsatzwagen und mit Guntram Schnitter an seiner Seite.
    Natürlich wollte er sie gern treffen, aber so überraschend, so unvorbereitet? Außerdem war er im Dienst. Er spürte, dass ihm wärmer wurde, wohlig. Was sollte das denn jetzt? Er brachte Anna ihren verletzten Freund nach Hause und erwartete, dass sie sich freute, ihn zu sehen?
    Freund, das war auch wieder so ein Ausdruck. Freund, Mitarbeiter, Partner? Er wusste es nicht sicher. Aus ihrer Datei hatte er nur entnehmen können, dass sie nicht verheiratet war. Aber das musste nichts bedeuten. Was sollte das Ganze überhaupt? Er benahm sich wie ein verliebter Teenager, und das, nachdem er ihr ein einziges Mal begegnet war.
    Als Kim in sein Auto hüpfte, entdeckte er, dass sie keinen Kindersitz dabei hatten. Er versuchte, die Kleine anzuschnallen und bemerkte dabei, wie klein und zerbrechlich so eine Siebenjährige war. Sie beobachtete ihn mit wachen Augen. Erst als er ebenfalls eingestiegen war, sprach sie wieder.
    „Ich bin noch nie in einem Polizeiauto gefahren“, sagte sie.

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