Nur ein Katzensprung
und sein Magen knurrte vernehmlich. „Nur einer der Angreifer trug eine rote Armbinde.“
Bevor er hinzufügen konnte, dass er trotzdem davon überzeugt war, dass alle vier zur Bürgerwehr gehörten, war Herbert Heinrich bereits aufgesprungen. „Das muss jetzt aufhören.“
Er schaute Lothar Mausig herausfordernd an. „Wir müssen das untersagen, diese Bürgerwehr auflösen. Außerdem sollten wir Herrn Schwarze und Konsorten zur Rechenschaft ziehen. Er hat das Ganze angezettelt. Erst der Kruse, das ging noch einigermaßen glimpflich ab, dann der Übergriff gegen Hanskes Haus, und nun erwischt es unseren Kollegen Stefan Ollner.“ Herbert war so aufgeregt, dass er beim Sprechen Spucketröpfchen über den Tisch verteilte. So hatte Kofi ihn noch nie erlebt.
Mausig zeigte mit der Hand auf Herberts Sitzplatz. Er wartete, bis der Polizist sich gesetzt hatte, bevor er weitersprach. „Da stellt sich mir allerdings die Frage, woher die Mitglieder der Bürgerwehr überhaupt die Namen und Adressen aus unserer Sexualstraftäterdatei hatten?“
Herbert zuckte zusammen, eine tiefe Röte zog von der Stirn über sein Gesicht und blieb am Hals hängen. Dicke rote Flecken zuckten im Rhythmus von Herberts Adamsapfel. „Ich“, sagte er. „Ich, ich konnte nicht ahnen …“
Mausig unterbrach ihn. „Lassen Sie’s gut sein.“
Herbert sank auf seinen Platz zurück und saß völlig still, den Blick gesenkt.
Kofi brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um zu verstehen. Er fragte sich, wie lange Mausig schon wusste, wer die Informationen aus der Dienststelle weitergegeben hatte. Warum hatte er nicht eher etwas unternommen? Vielleicht wäre Stefan dann nicht überfallen worden, ganz abgesehen von Kruse und Hanske.
„Bevor die Spekulationen ins Kraut schießen, die Bürgerwehr zu verbieten, hätte vermutlich zu geheimen Aktionen und Bündnissen geführt. So konnten die Betroffenen offen agieren, und wir konnten sie problemlos im Blick behalten. Drei Übergriffe konnten wir durch unsere vermehrten Streifenfahrten verhindern. Dass wir nicht überall gleichzeitig sein können, versteht sich von selbst. Leider.“
Kofi empfand trotzdem Ärger. Wie kam Herbert dazu?
Guntram Schnitter brummte unzufrieden. „Aber dass einer von uns …“
„Wer im Glashaus sitzt und so …“, sagte Mausig ruhig.
„Ich habe nicht …“ empörte sich Guntram.
„Aber vielleicht hätten Sie, wenn man Sie gefragt hätte. Insgeheim haben wir doch bereits nach der ersten Entführung, als wir so gar nicht vorankamen, alle gedacht, dass man etwas unternehmen muss, und vier Augen sehen eben mehr als zwei.“
„Heißt das, Sie befürworten diese ganze Bürgerwehrgeschichte im Grunde genommen?“, fragte Kofi.
„Ich will mich da nicht festlegen, kann mich da nicht festlegen. Wachsame Bürger auf der Straße, durchaus positiv. Es wäre doch möglich, dass inzwischen sieben oder acht Kinder entführt worden wären, wenn nicht alle achtsam gewesen wären.“ Mausig stand auf, ging zum Fenster und schaute hinaus. Die anderen Männer schwiegen. Kofi dachte daran, dass er selbst es am Anfang ebenfalls äußerst beeindruckend gefunden hatte, wie viele Menschen sich engagierten, wie viel Zeit sie investierten. Allerdings war er nicht davon überzeugt, dass er sich tatsächlich sicherer gefühlt hatte.
Mausig drehte sich wieder um und musterte sie. „Nichtsdestotrotz haben wir keine andere Wahl, als die Bürgerwehr aufzulösen und die Verantwortlichen zu ermitteln. Sie müssen bestraft werden.“
Kofi reagierte sofort. „Ollner hat mir ein paar Anhaltspunkte nennen können. Zwei Brüder, einer im Stimmbruch. Wenn ich die Schulleiterin der Grundschule richtig verstanden habe, existiert eine Dienstliste, in der sich alle eintragen. Da dürften wir schnell herausfinden können, wer in Frage kommt.“
„Ich weiß nicht“, sagte Guntram. „Zu hoffen wär’s, ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sich da alle registrieren müssen. Oder würdest du deinen Namen in eine Liste schreiben, wenn du vorhättest, einen alten Mann vom Fahrrad zu schubsen?“
„Das war doch sicher eine spontane Aktion. Als die ihre Dienstpläne gemacht haben, konnte keiner ahnen, dass Heribert Kruse zur Post fahren würde, um ein Päckchen abzuholen.“
„Stimmt, und dass sie in der Feldmark auf Stefan treffen würden, war auch nicht vorherzusehen.“
„Gut“, sagte Mausig. „Vielleicht ergibt diese Liste tatsächlich ein paar Anhaltspunkte. Ich werde auf jeden
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