Nur ein Katzensprung
Stückchen in seiner Hand.
Anna reichte ihm ein zweites.
„Ich bin Polizeiauto gefahren. Paul auch“, sagte Kim.
„Genau.“ Anna drehte sich zu Kim um. „Ihr habt noch gar nicht richtig erzählt, was passiert ist.“
Paul stand vom Tisch auf. „Zornige, laute Menschen, die wollten mich nicht zu Kim lassen.“ Kopfschüttelnd schlurfte er durch den Laden zum Tresen.
„Hast du Angst gehabt?“, fragte Anna Kim.
„Nur bis Kofi kam“, sagte Kim.
„Das ist doch mein Job …“
„Ist es wegen?“ Anna sah ihn beschwörend an. „Sie wissen schon, der Sache gestern?“
„Kelvin ist tot. Der Mörder hat ihn in Folie eingewickelt“, sagte Kim.
Anna wirbelte herum. „Woher weißt du das?“
„Das hat uns die Krisenfrau gesagt, und Reshek hatte ein Foto dabei, das hat sein Vater aus dem Internet geholt. Du hast Internet für Rezepte, kannst du auch Kelvin angucken?“
Anna drückte Kim fest an sich. „Ich will das gar nicht sehen, und du solltest dir so etwas genauso wenig anschauen.“
„Das hat die Krisenfrau auch gesagt, sie hat Reshek das Foto weggenommen, aber das darf sie gar nicht, weil es gehört ihr nicht.“
„Sie gibt es sicher Resheks Vater.“
Kim dachte darüber nach, und Kofi fragte sich, wie er das Gespräch auf Paul zurückbringen sollte.
Anna kam ihm zu Hilfe, ohne es zu ahnen. „Glauben Sie, man hat Paul angegriffen, weil er behindert ist?“
„Seine Behinderung hat zumindest dazu beigetragen, dass er den Leuten suspekt erschien. Ist er …? Sind Sie …?“
„Wir sind zusammen zur Grundschule gegangen. Ich in die vierte Klasse, er in die erste. Ich war seine Schulpatin. Seither habe ich auf ihn aufgepasst.“
Kim gluckste. „Manchmal passt Paul auch auf dich auf.“
„Oh, Kim, was du immer für Sachen erzählst. Das interessiert Kommissar Kayi überhaupt nicht, stimmt’s?“
Eigentlich interessierte es ihn brennend. Doch er sagte: „Sagen Sie doch bitte Kofi, Kommissar Kayi klingt so …“ Ja, wie eigentlich? Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Sein Kopf, sein Bauch, sein Herz, alle waren damit beschäftigt, die Information zu verdauen, dass Anna Blume, die schöne, die reizende, die aufregende Anna Blume keine Beziehung zu Paul unterhielt. Anna ist Single, jubilierte es in ihm.
‚Das ist nicht gesagt‘, bremste er sich selbst. ‚Sie kann trotzdem einen Freund haben.‘
„Gern, ich bin Anna.“
„Anna, das klingt nett.“
Sie lachte. „Wusstest du das nicht?“
„Doch, natürlich.“
Sie unterbrach ihn. „Wir kennen uns aus der Schule.“
„Echt?“
„Naja, ich kenne dich. Alle am Campe kannten dich. Du warst etwas Besonderes. Ich ging in den Jahrgang über dir.“
Zu gern hätte er jetzt gesagt, dass sie ihm selbstverständlich aufgefallen war. „Ja, genau“, sagte er. „Du bist Annemie Blümchen.“
„Du erinnerst dich?“
‚Nicht wirklich‘, dachte er. ‚Erst mal nur an den Namen. Verflixt noch mal!“ Dann fiel es ihm ein. „Hast du den Hut noch?“
„Na klar, er hängt über meinem Bett an der Wand, als Erinnerung. Wir waren echt verrückte Hühner damals.“
„Was für ein Hut, Anna?“, fragte Kim.
„Ein roter Sonnenhut aus Stroh mit unzähligen bunten Blüten darauf.“
‚Das Eis ist gebrochen‘, dachte Kofi. ‚Wir haben etwas gemeinsam. Ich kann jederzeit wiederkommen. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Das verbindet. Hör auf, du Trottel, du bist im Dienst.‘
„Wenn du Paul bereits seit so langer Zeit begleitest, kennst du ihn sicher sehr gut?“
Das Lächeln wich aus ihrem Gesicht. Sie wisperte: „Verdächtigst du ihn etwa?“
„Ich kann nicht anders.“
„Das solltest du nicht tun. Paul tut keiner Fliege etwas zuleide.“
‚Fliegen nicht, aber Kindern‘, dachte Kofi. Laut sagte er: „Wir haben nicht den kleinsten Anhaltspunkt. Ich muss alles in Betracht ziehen.“
Anna sah ihn mitleidig an.
„Eine scheußliche Sache. Wenn es um Geld geht oder um Rache, um Neid oder Macht, dann kann man das verstehen, aber das hier, das verstehe ich nicht. Wozu soll das dienen?“
„Wenn wir das wüssten, wären wir einen großen, vielleicht den entscheidenden Schritt weiter.“
„Und wenn man sich vorstellt, dass der Kerl morgen hier hereinspaziert und ein Glas Kräutersalz kauft oder ein Büffet für seinen 50. Geburtstag bestellt, schüttelt’s einen.“
„Daran habe ich noch gar nicht gedacht.“
„Dass er sich meistens wie jeder andere Mensch auch benimmt und normale Dinge
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