Nur ein kleiner Sommerflirt
israelischen Wüste genauer in Augenschein und versuche, mir vorzustellen, dass hier vor zweitausend Jahren zwischen den Juden und ihren Feinden ein Krieg gewütet hat.
»Wie es da oben wohl sein mag?«, sage ich.
»Das wirst du gleich rausfinden.« Avi reicht mir eine Wasserflasche. »Du musst viel trinken, damit du während des Aufstiegs nicht zu viel Flüssigkeit verlierst.«
»Du glaubst, dass ich da raufklettern kann?«
»Ich weiß, dass du das kannst, Amy. Wie deine Vorfahren vor dir. Siehst du den Schlängelpfad dort?«
»Heißt der so, weil dort überall Schlangen lauern?« Natürlich bin ich taff, aber ich bin noch immer von meiner ersten Begegnung mit einer Schlange bedient.
»Nein, weil er sich so den Hang hinaufschlängelt«, antwortet er, was mich nur vorübergehend beruhigt.
Wir begeben uns zum Fuß des Berges, und ich kann den schmalen, gewundenen Pfad erkennen, der nach oben führt. Doo-Doo, Snotty, Ofra und O’dead beginnen schon mit dem Aufstieg. Zu meiner Linken sehe ich mehrere dicke Kabel, die von oben kommen. Ich folge ihnen mit den Augen und entdecke eine Seilbahn am Fuß des Berges.
»Warum fahren wir nicht mit der Seilbahn?«
Avi begibt sich ebenfalls zu dem nicht von Schlangen verseuchten Schlängelpfad. »Weil man sich sonst um das großartige Gefühl bringt, den Berg selbst bezwungen zu haben. Ich habe ihn schon mehrmals erklommen und es ist ein unvergleichliches Erlebnis.«
Ich folge Avi zum Einstieg des Weges. Anfangs geht es leicht … Wenn ich einfach immer nur einen Fuß vor den anderen setze, werde ich in Nullkommanichts oben sein.
Doch zwanzig Minuten später keuche ich und meine Oberschenkelmuskeln fangen an zu zittern. In Illinois gibt es weder Berge noch Hügel und ich bin schlicht nicht daran gewöhnt. Als ich langsamer werde, zügelt auch Avi sein Tempo. Dabei könnte er viel schneller hochsteigen.
»Geh nur«, japse ich, als wir etwa die Hälfte des Weges geschafft haben. »Ich bleibe hier – ich schaff das nicht. Entweder ich krepiere vor Hitze und Erschöpfung oder ich ertrinke in meinem eigenen Schweiß.«
Er schüttelt den Kopf.
»Das ist mein Ernst.«
»Ich weiß. Aber jetzt leg einen Zahn zu, damit wir noch vor Sonnenuntergang oben sind.«
Ich laufe wieder los, aber nur weil er mich an der Hand nimmt und hinter sich herzieht.
»Gegen wen haben die Juden hier gekämpft?«, frage ich. »Gegen die Palästinenser?«
»Nein, gegen die Römer.«
Was hatten die Römer denn hier verloren? »Und warum hassen die Juden dann alle Palästinenser?«
Er bleibt stehen und dreht sich zu mir um. »Wir hassen nicht alle Palästinenser.«
Ich schnaube. » Das glaube ich erst, wenn sie es in den Nachrichten bringen«, sage ich zu ihm.
Schließlich kommt der Gipfel des Berges von Masada in Sicht – nach nur einer Stunde Aufstieg. Ich kann nicht glauben, dass ich das wirklich geschafft habe.
Oben angekommen, sehe ich mich um. Die uralten Ruinen faszinieren mich.
»Dann haben die Juden den Kampf gegen die Römer also gewonnen?«, frage ich.
O’dead schüttelt den Kopf. »Nicht wirklich. Die Juden haben hier Selbstmord begangen.«
»Hä?«, mache ich erschrocken. Das klingt ja furchtbar.
Ofra tritt vor ihn. »Unsere Vorfahren sind während des Kriegs auf den Berg geflohen. Die Römer waren ratlos. Sie konnten nicht einfach raufklettern, sonst wären sie ein leichtes Ziel für Angreifer von oben gewesen.«
Avi führt mich zu einer der Ruinen. »Hier oben sollen neunhundertsechzig Juden gelebt haben. Sie hielten aus, solange sie konnten. Sie wussten jedoch, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Waffen der Römer den Gipfel des Berges erreichen würden. Wäre die Festung gefallen, hätten die Römer sie getötet oder in die Sklaverei verkauft.«
Ich sehe zu Moron hinüber, der ein farbenfrohes Fliesen-Mosaik in einem der Häuser bestaunt, die in den Berg hineingebaut sind. Es berührt mich, dass Menschen auf diesem Berg Zuflucht gesucht haben, um sich und ihre Familien in Sicherheit zu bringen.
»Sie haben also Suizid begangen?«
Avi nickt. »Als Juden hatten sie geschworen, Gott zu dienen – Gott allein. In die Sklaverei verkauft zu werden, kam für sie nicht infrage. Lieber wollten sie tapfer als freie Menschen sterben, als versklavt zu werden und den Römern zu dienen.
Sie haben all ihr Hab und Gut zerstört – bis auf ihre Essensvorräte, damit die Römer wussten, dass nicht der Hunger sie zur Aufgabe gezwungen hat, sondern dass sie lieber tot als
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