Nur ein kleines Bischen
Hörweite sind. »Das war wirklich große klasse.«
»Kümmere dich nicht um Nancy«, sagt Shantel und
verdreht die Augen. »Sie kann ein richtiges Miststück sein. Sie bringt uns alle in Verruf.« Sie schüttelt den Kopf. »Aber der größte Teil der Truppe ist nicht so wie sie, das verspreche ich dir. Und wir alle mussten wie verrückt trainieren, als wir hier neu waren. Wenn du bereit bist, hart zu arbeiten, wirst du bis zu unserem Spiel bestimmt schon fit sein.« Sie klatscht in die Hände. »Bist du so weit?«
Ich bin es. Und nach etwa einer Stunde Privatunterricht kapiere ich langsam. Okay, ich bin nicht so weit, dass ich an einem internationalen Wettbewerb oder etwas Derartigem teilnehmen könnte, aber ich bin
auch nicht noch einmal aufs Gesicht gefallen. Shantel ist eine gute Lehrerin. Gut darin, Dinge zu erklären.
Sie wird nicht ärgerlich, wenn ich die gleiche Sache viermal hintereinander vermassle. Ähm, nicht dass ich das getan hätte. Wirklich nicht.
Sie ist außerdem eine umwerfende Athletin, wie ich begreife, während ich beobachte, wie sie einen besonders beeindruckenden Sprung demonstriert, den sie einen »Herkie« nennt. Große Ausdauer, Flexibilität und Kraft. Sie könnte wahrscheinlich jede Sportart ausüben und ihre Sache gut machen. Ich frage mich, warum sie sich für das Cheerleading entschieden hat.
Hat sie irgendeine Art von Unsicherheit in sich, die in ihr den Wunsch weckt, Pompons zu schwenken?
Wenn ja, verbirgt sie es gut. An der Oberfläche ist sie das selbstbewussteste Mädchen, dem ich je begegnet bin.
»Danke«, sage ich, als unsere Trainingsstunde vorbei ist. »Ich denke, ich komme langsam dahinter.«
Sie grinst. »Keine Ursache«, antwortet sie. »Siehst du, es ist ziemlich leicht, sobald man weiß, was man tut.
Und«, fügt sie vielsagend hinzu, »wenn du trainierst.«
»Jaja. Ich werde trainieren, keine Sorge.« Ich lache.
»Schließlich will ich beim Spiel nicht der Länge nach aufs Gesicht schlagen.«
Shantel lächelt. »Kein Problem. Wenn du es tust,
werden wir dich wieder aufsammeln.« Sie schwingt
einen Arm um meine Schultern und wir gehen zurück
zu der Hauptgruppe. »Du bist jetzt eine von uns,
Rayne McDonald. Ein Oakridge High Wolf.« Aus
einem eigenartigen Grund ist das plötzlich okay für mich.
7
Der Abend unseres ersten Spiels ist wunderschön. Die Temperatur ist perfekt - so um die fünfundzwanzig Grad - und der Mond ist voll und scheint auf das Feld hinab, beinahe hell genug, um die Lichter des Stadions zu überstrahlen. Es liegt knisternde Elektrizität in der Luft, als wir, bekleidet mit unseren blau-weißen Uniformen und Pompons in den Händen,
die Umkleide verlassen und an den Rand des Football-stadions laufen.
Wir stellen uns auf dem blauen Belag der Laufbahn
vor der Heimtribüne auf. Ich nehme meine Position
als Dritte von links ein und stelle mein Megafon vor mir ab. In diesem Moment sehe ich zum ersten Mal zum Publikum hoch. Es müssen eine Million
Menschen dort oben sein. Oder mindestens hundert.
Kinder aus der Schule, Eltern, irgendwelche Leute aus der Stadt. Ich hatte keine Ahnung, dass so viele Leute diese Spiele besuchen. Ich dachte, die Begeisterung für die eigene Schule gebe es nur in Filmen.
Es kommt noch schlimmer: All diese Bewohner von
Oakridge starren auf mich herab. Sie beobachten
mich, beurteilen mich wahrscheinlich und warten
darauf, dass ich aufs Gesicht falle. Was angesichts meiner Leistungen sehr wahrscheinlich ist, wie ich befürchte.
Ich erstarre vor Angst und lasse um ein Haar meine Pompons fallen. Es ist so, als säße Medusa auf den Tribünen und versteinerte mich mit ihrem furchtbaren Blick.
OMG, ich bringe es einfach nicht.
Langsam ziehe ich mich von meiner Position zurück
und hoffe, dass niemand meinen verstohlenen Abgang bemerken wird. Schließlich bin ich nicht wirklich ein wesentlicher Bestandteil dieses Teams, stimmt's? Ich bin nur zu Spionagezwecken hier. Sie brauchen mich nicht. Nun ja, außer für diese eine spezielle Pyramide, aber auf die können sie heute Abend einmal verzichten, nicht wahr? Sie können sich etwas anderes suchen, das sie in der Halbzeit machen...
Shantel packt mich hinten an meinem Pullover und
reißt mich zurück in meine Position. »Was glaubst du, wo du hingehst?«, zischt sie.
»Ähm, ich glaub, ich hab mein Bügeleisen nicht
abgeschaltet«, murmle ich mit brennenden Wangen.
»Ich muss gehen . . .«
»Es ist mir egal, ob dein Bügeleisen die ganze Schule
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