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Nur ein Kuss von dir

Nur ein Kuss von dir

Titel: Nur ein Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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stieß mich fort.
    »Aber was ist mit dem Mädchen? Sie ist nicht tot! Bitte, ich möchte ihr helfen!«
    Doch sie hatte mir längst den Rücken zugekehrt, rannte über den Ponton und hielt alle paar Meter an, um einen der Versunkenen zu berühren. Ich befühlte schnell die Stirn der Versunkenen neben Olivia. Sie waren alle gleich warm. Eigentlich fühlten sie sich fast an, als würden sie brennen. Weiter unten in der Reihe entstand Unruhe. Leute sprangen zurück und deuteten auf etwas. In der Abenddämmerung war es schwer zu erkennen, aber es sah aus, als würde über einer der Leichen Rauch aufsteigen.
    Das Schreien wurde lauter, und ich wirbelte herum. Über einem der Versunkenen in meiner Nähe kräuselte sich ebenfalls Rauch. Ich verstand nicht, wie das sein konnte. Sie waren alle triefend nass vom Fluss, wie konnten dann zwei von ihnen brennen?
    Als mir die Erkenntnis kam, erstarrte ich für einen Moment, bevor ich plötzlich an der Reihe entlang losraste und verzweifelt versuchte, Callum zu finden, bevor es zu spät war. Doch ich hatte meine Chance verpasst. Wie Lucas würden die Versunkenen von selbst verbrennen. Überall waren jetzt die kleinen Rauchsäulen zu sehen, und dann brach der Erste in Flammen aus.
    Das Feuer brannte heftig – mit Spuren von Blau und Gold in den Flammen, und fast ebenso schnell war es vorbei und hinterließ nichts als ein verkohltes Häufchen aus Lumpen. Aber dann ging es bei einem anderen los und bei noch einem und immer weiter. Jeder brannte in einem etwas anderen Farbton, aber bei allen gab es dasselbe goldene Aufblitzen. Ich versuchte, die Reihe weiter abzugehen, um Callum doch noch zu finden, aber starke Arme zogen mich weg, und dann wurde mir bewusst, dass eine Alarmglocke schrillte.
    »Notfall! Komplette Räumung!!!«, brüllte ein Mann, der mich festhielt. »Alle verlassen sofort die Landungsbrücke!« Er trieb mich auf den Ausgang zu, wo ich von der Flut der Menschen, die den Ponton verließen, mitgerissen wurde, vorbei an immer mehr Leichen, die an der Seite aufgereiht lagen. Ich blickte noch einmal zurück.
    Überall brannten die eigentümlichen Feuer auf der Anlegestelle, alle ein Zeichen dafür, dass sie wieder zu Staub wurden. Die Toten, an denen wir vorbeikamen, fingen auch an, den verräterischen Rauch abzugeben, was die Menge zu einer regelrechten Massenflucht antrieb. Ich schaffte es gerade noch, auf den Beinen zu bleiben, als ich mit auf das Embankment gerissen wurde.
    Sobald ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, rannte ich zur Blackfriars Bridge, weil ich von dort alles besser überblicken konnte. Auf dem Wasser herrschte das totale Chaos, da Leichen, die gerade aus dem Wasser gefischt werden sollten, plötzlich in Flammen aufgingen. Einige Rettungstruppen versuchten verzweifelt, die Feuer zu löschen, während andere die Versunkenen einfach wieder ins Wasser fallen ließen, wo sie weiterbrannten. Ich sah Dutzende kleiner Brandstellen im Wasser treiben, wo die Versunkenen endlich auf dem Heimweg waren.
    Der Anblick machte mir hoffnungslos klar, dass mein Plan gescheitert war. Bei dieser Katastrophe konnte Callum auf keinen Fall gerettet werden. Er hatte sogar noch weniger Chancen, als wenn er alleine im Wasser gelandet wäre. Ich konnte es nicht fassen, dass ich vergessen hatte, dass ja auch Lucas’ Leiche verbrannt war. Hätte ich früher daran gedacht, hätte ich mir vielleicht etwas anderes einfallen lassen, doch nun war es zu spät.
    Ich lehnte mich an die Mauer und beobachtete das Ganze mit trockenen Augen weiter. Ich hatte schon so viel geweint, dass nichts übrig geblieben war, kein Gefühl, kein Schmerz. Ich war wie benommen und wusste nicht, was ich nun tun sollte. Mein Blick fiel auf einen der Toten, der im Wasser aufloderte. Die Flammen, die in die Dämmerung hochschlugen, waren blau-, grün- und goldgesprenkelt, Farben, die ich kannte und liebte, die Farben von Callums Augen.
    »Lebe wohl, Callum«, wisperte ich kaum hörbar. »Es tut mir so leid. Ich hoffe, du bist jetzt irgendwo, wo du deinen Frieden hast. Ich werde dich niemals vergessen.«
    Als Antwort gab es kein Prickeln in meinem Handgelenk, keine Stimme, die wie Honig in meinen Kopf tropfte, kein hauchzartes Streicheln meiner Wange. Callum war für immer gegangen.
    Ich ließ den Kopf hängen und merkte auf einmal, wie erschöpft ich war. Ich versuchte, genügend Kraft aufzubringen, um wegzugehen, als die Frau neben mir anfing zu schreien.
    Erschreckt blickte ich hoch. Sie wich vor

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