Nur ein Kuss von dir
sehen. Max sah mit einem leichten Lächeln auf den Lippen direkt zu mir rüber, und als er meinen Blick bemerkte, drehte er sich schnell ab.
Augenblicke später war er neben mir. »Lust zu tanzen?« Er hielt mir die Hand hin und wartete darauf, mich zu der kleinen Tanzfläche zu führen. Die Kerzen und die Lichterketten ließen seine dunklen Haare glänzen, die Augen blieben aber unergründlich. Callum würde doch bestimmt verstehen, dass an einem Tanz nichts Schlimmes war.
Ich wollte gerade Max’ Hand nehmen, als mir das Mädchen wieder einfiel. Vor noch nicht einer Stunde hatte er mit ihr die Party verlassen. Mich überkam plötzlich der heftige Wunsch, nicht zu seiner zweiten Eroberung dieses Abends zu werden.
»Ich bin das Tanzen jetzt ein bisschen leid.« Betont lässig zuckte ich mit den Schultern, fest entschlossen, meinen Standpunkt klarzumachen. Sein Lächeln verblasste und er drehte sich um.
Ich schlief nicht besonders gut und wachte am nächsten Morgen ewig früh auf. Im anderen Bett schnarchte Sabrina sanft vor sich hin, und so konnte ich nicht das Licht anmachen, um zu lesen. Schließlich gab ich es auf, stieg aus dem Bett und hoffte, meine Kopfschmerzen bei einem Strandspaziergang loszuwerden. Ich hinterließ eine Notiz, machte die Tür leise auf und flüchtete in die kühle Morgenluft.
Ich genoss den frühen Morgen und hatte das auch schon früher getan: den riesigen Strand entlangzugehen, so gut wie alleine, den kleinen Vögeln zuzusehen, die zwischen den flachen Wellen über den Sand flitzten, und auf die Stille zu lauschen. Ich konnte meilenweit gehen, ohne mehr als nur eine Handvoll Menschen zu sehen.
Beim Gehen versuchte ich, Max aus meinem Kopf zu verbannen und mich stattdessen auf das zu konzentrieren, was wichtig war: herauszufinden, wie ich Callum auf meine Seite bekommen konnte, um mit ihm zusammen sein zu können. Als Erstes musste ich herausbekommen, was mit Lucas passiert war, nachdem er Rob angegriffen hatte. Ich wusste, dass er Rob nicht alle Erinnerungen genommen hatte, denn als Rob wieder zu sich kam, konnte er sich bis auf die fünf letzten Wochen an alles erinnern. Das war genau der Zeitpunkt gewesen, an dem ich mein Amulett gefunden hatte.
Ich hatte mit Lucas gekämpft, die Kraft meines Amuletts eingesetzt und Lucas hatte sich in einen Funkenregen aufgelöst. Ohne einen kompletten Satz an Erinnerungen kam es mir unwahrscheinlich vor, dass es ihm genau wie Catherine ergangen und er zurück ins Leben gekommen war. Oder war es etwa doch dasselbe? Vielleicht lag Lucas in einem Londoner Krankenhaus mit nur fünf Wochen von Rob Underwoods Erinnerungen im Kopf? Oder war er tot? Im Fluss ertrunken, als er wieder körperlich geworden war? Oder hatte ich ihn irgendwo anders hingeschickt? Irgendwo, wo er richtig tot sein konnte, so, wie es sich alle Versunkenen wünschten?
Ich hatte keine Antworten. Dieselben Gedanken kreisten mir immer wieder durch den Kopf, während ich den Strand entlanglief. Wenn ich gewusst hätte, dass es Lucas gutging, dann hätte ich es riskieren können und ausprobieren, ob dasselbe auch mit Callum funktionierte. Ich musste mich nur vor ihn stellen, unsere Amulette zusammenbringen und im Geist kräftig nachschieben.
Einer einzigen Sache war ich mir allerdings ganz sicher: Ich wusste, dass ich Catherine nicht brauchte. Sie hatte gesagt, sie wüsste, wie alle Versunkenen zu retten wären, und dass sie mir das niemals sagen würde. Doch sie wusste nicht, was ich mit Lucas gemacht hatte.
Ich konnte die Macht spüren, die in dem Amulett steckte und nur darauf wartete, genutzt zu werden. Ich blickte auf das Silber an meinem Handgelenk. Es funkelte im frühen Morgenlicht, und ich fragte mich wieder einmal, wie es all das bewirken konnte.
Ich blickte auf und merkte, dass ich weiter gegangen war als sonst. Ich näherte mich dem Teil des Strandes, wo die Kitesurfer später am Tag übten, doch zu dieser frühen Stunde war er noch nahezu verlassen. Ein einzelner Surfer war draußen auf dem Wasser, und ich blieb stehen, um einen Moment zuzusehen. Das grelle Rot und Gelb des Drachens hoben sich deutlich vor dem dunklen Türkis der Wellen ab.
Der Strand war lang und geschwungen – mit einer Landzunge am einen und der Stadt mit dem Hafen am anderen Ende. Ich war der Landzunge viel näher, wo der unaufhörliche Wind im Lauf der Jahre den halben Strand aufs Land geblasen und riesige aufragende Sanddünen gebildet hatte. Der Drachensurfer kreuzte vom Strand weg auf
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