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beseitigen, wie sich das anhört. Der Mann liegt verletzt im Krankenhaus, er ist nicht tot. Aber vielleicht ist er für Markus gestorben und diese Reinigung des Gebäudes soll gleichzeitig eine seelische Reinigung darstellen. Ein sauberer Schnitt.
„ Das hier gehört wohl dir“, meint er und streckt mir meine Handtasche entgegen. Hastig greife ich danach und werfe einen Blick hinein. Es sieht aus, als wäre alles noch da. Auf meinem Handy entdecke ich 49 unbeantwortete Anrufe. Schnell überfliege ich die Nummern, Emily, George, meine Eltern, das war klar. Dazu kommen noch einige Anrufe mit unterdrückter Rufnummer. Auch der Posteingang ist voll, etliche ungelesene Mitteilungen.
Vorerst werde ich das alles ignorieren. Ich verspüre nämlich nicht die geringste Lust, hier, im Stehen, in Anwesenheit von George, Florian und Markus samt Dienstpersonal, meinen Eltern die Ereignisse der letzten Tage auseinanderzusetzen.
Sie mussten so lange warten, da wird es sie auch nicht umbringen, wenn ich mich heute Abend von zu Hause aus melde. George hat sie ganz gut hinhalten können, so dass sie keine Ahnung davon haben, was hier passiert ist. Wenn ich nachher zu Hause ankomme, kann ich zuerst mit Emily einen Schlachtplan entwerfen – ihr werde ich alles erzählen, das ist klar – und dann meine Eltern anrufen.
Während ich in meiner Tasche herumgekramt und meine Nachrichten gecheckt habe, sind George und Florian – vollkommen ins Gespräch vertieft – immer weiter von mir weg gegangen. Gerade will ich mich ihnen anschließen, doch plötzlich steht Markus direkt neben mir.
„ Hilda, ich würde mich gerne mal mit dir unterhalten. Über das, was passiert ist. Ich möchte dir noch so viel sagen, so viel erklären. Ich will nicht, dass du abreist und zwischen uns nicht alles klar ist“, flüstert er, damit George und Florian ihn nicht hören können.
Mit weit aufgerissenen Augen starre ich ihn an. Wie meint er das, zwischen uns? Gibt es ein uns? Ich denke an unseren Kuss, als wir im Keller eingesperrt waren. Wie heißt doch gleich diese psychologische Störung, wenn eine Geisel sich ihn ihren Kidnapper verliebt? Stockholm-Syndrom, genau. Ist es das? Leide ich unter dem Stockholm-Syndrom? Fliegen die Schmetterlinge in meinem Bauch am Ende nur deshalb so wild umher, weil Wiesenthal mich gekidnappt hat? Aber dann müsste ich doch eigentlich in ihn verliebt sein, oder?
„ Ich, äh, ja, also, von mir aus gern, wenn du meinst, dann will ich das schon“, stammele ich mir etwas zurecht.
„ Was ist denn nun mit der monstermäßigen Überraschung?“, dröhnt Florian, der sich mittlerweile wieder bei uns eingefunden hat. Ich verfluche innerlich sein absolut unschlagbares Timing, wenn es darum geht, zur absolut unpassendsten Zeit am absolut unpassendsten Ort aufzutauchen und jede Situation zu ruinieren. Auch George gesellt sich zu uns und drängt zur Eile.
Markus nickt. „Leute, was ich euch nun zeigen werde, haben außer mir und meinem Vater vielleicht eine Handvoll Menschen zu sehen bekommen. Wobei ich dazu sagen muss, dass jeder von ihnen immer nur einen Teil davon gesehen hat. Ihr seid also die ersten, die alles, wirklich alles, sehen werden.“ Er scheint richtig nervös zu sein, wie er da steht, sich mit den Händen durch die Haare fährt, von einem Fuß auf den anderen tritt.
„ Wir müssen dafür runter in den Keller“, sagt er zögernd und sieht mich an. Mein Herz stockt und ich spüre Panik in mir aufsteigen, die ich sofort niederzukämpfen versuche. „Ist das in Ordnung für dich? Wir lassen alle Türen offen und ich gebe dir meinen Schlüsselbund. So kannst du sicher sein, dass du nicht eingesperrt wirst“, schlägt Markus vor und ich finde es unbeschreiblich süß, wie er sich um mich und mein Wohlergehen sorgt.
Mit klopfendem Herzen begebe ich mich in den Keller des Hauses. Wir gehen die große Treppe hinunter, gehen durch die schwere Tür, durch die ich schon einmal gegangen bin, und stehen wieder in dem langen dunklen Kellerflur, an dessen Ende sich der Raum befindet, in dem Psycho-Dad mich gefangen gehalten hat.
Ich atme tief durch. Mit George und Florian an meiner Seite und dem Schlüsselbund in der Hand habe ich die Situation unter Kontrolle. Richtig gut fühle ich mich zwar nicht, aber richtig schlecht auch nicht, und das ist die Hauptsache. Ich muss an Florians Worte denken. Schließlich will ich nicht in dem Wissen leben, dass es hier ein Haus gibt, vor dem ich Angst habe.
Also gehe ich
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