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Schutz.
„ Nun ja, als Frau hatte sie damals einfach die schlechteren Karten. Und wenn sie sich einfach in ihre Rolle gefügt und nach Siegfrieds Tod den Schatz offiziell an ihren Bruder übergeben hätte, dann hätte eine der schlimmsten Schlachten in dieser Zeit verhindert werden können.“ Wie bitte? Kriemhild ist die Böse? Der spinnt jawohl!
„ Aber mal im Ernst, IHR Mann wurde umgebracht, IHR rechtmäßiger Besitz wurde ihr genommen, IHR Sohn starb unter mysteriösen Umständen, SIE hatte doch wohl das gute Recht, wütend zu sein!“ Ich schreie die Worte regelrecht in die Idylle des Gartens hinaus.
Nun sieht er mich belustigt an. „Liebe Hilda, ich wollte Sie nicht verärgern. Die Rolle der Frau war früher eine andere als heute. Früher hat sich eine Frau über ihren Mann oder ihre männliche Verwandtschaft definiert, sie selbst galt nichts als Person. So war das eben. Und für die damalige Zeit hat sich Kriemhild falsch verhalten. Aus unserer heutigen Sicht ist ihr Verhalten vielleicht ansatzweise nachvollziehbar, aber damals war es das nicht. Sie war eben ihrer Zeit voraus.“
„ Sie war also eine frühe Frauenrechtlerin oder was?“, frage ich, noch immer aufgebracht.
„ Im Prinzip ja. Nur dass sie nicht öffentlich für ihre Rechte gekämpft, sondern ein Königreich komplett und ein anderes beinahe vernichtet hat, um Rache für ein ihr widerfahrenes Unrecht zu üben.“ Er setzt sich auf und beugt sich vertraulich nach vorn.
„ Man sollte niemals eine wütende Frau unterschätzen“, sagt er und sieht mich dabei seltsam an. Und ich meine damit wirklich seltsam.
Mir wird unbehaglich zumute und ich greife nach meinem Glas mit Eistee, um einen Schluck zu trinken und meine Verlegenheit zu überspielen.
Gerade als ich das Glas wieder auf den Tisch stellen will, geschehen mehrere Dinge gleichzeitig.
Wiesenthal beugt sich noch weiter nach vorne und greift nach meiner freien Hand, Markus kommt auf die Terrasse gerannt, gefolgt von Florian und George, und ich lasse das Glas fallen.
Vielleicht, weil es feucht war, vielleicht, weil ich einfach nur den Tisch verfehlt habe, vielleicht, weil mich die ganze Situation verwirrt hat, vielleicht aber auch, weil ich einfach ein Elefant im Porzellanladen bin.
Augenblicklich bricht ein Chaos aus, das mir doch einigermaßen übertrieben erscheint. Wie aus dem Nichts erscheint ein Dienstmädchen, das sofort beginnt, den verschütteten Tee aufzuwischen und die Scherben einzusammeln.
Wiesenthal Senior brüllt den Junior an, warum, kann ich nicht richtig verstehen, und George und Florian springen wie aufgescheuchte Hühner um mich herum.
Florian murmelt immer wieder etwas, das klingt wie „nicht aus den Augen lassen“ und George versucht, mit Taschentüchern meine Hose vom Eistee zu befreien.
Solch ein Theater wegen ein bisschen Eistee? Gut, das Glas war sicher teuer, so wie alles in diesem Haus, aber das kann ich notfalls ersetzen, auch wenn es ein großes Loch in mein Konto reißen wird.
Als ich mich entschuldigen will, bringt mich Wiesenthal mit einer Handbewegung zum Schweigen. Er ist wohl noch nicht fertig mit seinem Sohn. Die beiden verlassen die Terrasse und man hört sie durch die geschlossenen Glastüren laut miteinander sprechen, aber man versteht nicht, was sie sagen. Wir drei sehen uns ratlos an.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen Vater und Sohn zurück, entschuldigen sich kurz und dann teilt uns Markus mit, dass er nun zum Theater fahren müsse, um sich für die Abendvorstellung fertig zu machen.
Beim Abschied drückt er mir einen kleinen Zettel mit einer Handynummer in die Hand.
„ Kannst dich ja mal melden, so lange du noch in der Stadt bist. Würde mich freuen“, nuschelt er, dann ist er auch schon verschwunden.
Ganz überrumpelt stehe ich da, mit Eistee auf der Hose, der Handynummer von Hugh Jackman in der Hand und keinem blassen Schimmer, was hier gerade passiert ist.
George bedankt sich überschwänglich beim Senior für seine Gastfreundschaft und wir verlassen das Anwesen. Auf dem Weg zu unserem Hotel – Hotel, dass ich nicht lache – unterhalten wir uns über den Nachmittag.
George schwärmt von den vielen Kunstwerken und Büchern, selbst Florian ist begeistert, immerhin waren einige Waffen in der Sammlung.
„ Warum hast du denn so gebrüllt?“, fragt Florian plötzlich.
„ Ich? Hab‘ ich gebrüllt? Ach so, ja, wir haben uns über Kriemhild unterhalten und er meinte irgendwas von ‚sie hätte sich in ihre Rolle fügen
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