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müssen‘, da hab‘ ich wohl die Stimme etwas erhoben“, erkläre ich grinsend.
„ Ach, dann hatte es gar nichts mit Wiesenthal selbst zu tun?“, fragt er ungläubig. Sein Beschützerinstinkt ist echt süß.
„ Nein, nur mit dem, was er gesagt hat, warum?“
„ Naja, als wir gehört haben, dass du brüllst, ist Markus komisch geworden und hat irgendwas gemurmelt; ‚er soll sie in Ruhe lassen‘ oder so ähnlich, und ist losgerannt. Wir sind ihm hinterher, und dann sehen wir, wie der Alte fast vor dir kniet und du ein schockiertes Gesicht machst. Das war schon komisch.“
„ Ich fand komisch, wie Junior und Senior aufeinander losgegangen sind, hat jemand mitbekommen, worum es dabei ging?“, schaltet sich George ein.
Aber leider hat keiner von uns gehört, worüber die beiden sich gestritten haben. Florian hat nur mitbekommen, wie Wiesenthal zu Markus gesagt hat, er werde es noch bereuen. Aber worum es ging, weiß er auch nicht. Eine seltsame Familie ist das.
Den Abend verbringe ich gemeinsam mit George und seinen Studenten in einem netten kleinen Lokal, in dem es nichts, aber auch gar nichts Mittelalterliches gibt, was eine ganz nette Abwechslung ist.
Zwischendurch gehe ich einmal kurz vor die Tür, um Emily anzurufen, aber es geht nur ihre Mailbox ran.
Schließlich machen wir uns alle zusammen auf den Weg in unsere Unterkunft. Als wir in unserem Zimmer sind, liege ich schnell im Bett und George wuselt noch herum, mal im Bad, mal im Zimmer. Er erzählt ohne Punkt und Komma davon, wie toll dieser Tag war, wie sehr er die Schifffahrt genossen hat und wie eindrucksvoll die Wiesenthal-Sammlung ist.
Ich kann ihm kaum noch folgen, so müde bin ich, und als er anfangen will, mir die Beweise für die Existenz der Nibelungen im Detail zu erklären, murmele ich schon fast schlafend:
„ Das ist doch nur ein Märchen, George. Ein Märchen, sonst nichts.“ Ganz kurz überlege ich, was ich Wiesenthal noch Wichtiges hatte fragen wollen, aber es will mir nicht mehr einfallen.
Dienstag
Als ich aufwache, steht George schon fertig geduscht und gestylt neben meinem Bett. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass er aufgestanden ist.
„ Guten Morgen du Schlafmütze!“, begrüßt er mich lächelnd. Ich blinzle verschlafen und habe überhaupt keine Ahnung, wie spät es wohl sein mag. Als hätte George meine Gedanken gehört, antwortet er mir auf meine noch unausgesprochene Frage.
„ Darling, es ist schon nach neun und es wird jetzt Zeit, dass du aufstehst. Ich gehe schon mal zum Frühstück, wir sehen uns dann da. Aber beeil dich, please.“ Und – wusch – ist er aus der Tür.
Während ich ganz kurz unter die Dusche hüpfe, kommen mir Erinnerungen an einen Traum, oder vielleicht waren es auch mehrere Träume? Ich sehe jedenfalls verschiedene Szenen, die sich vor meinem inneren Auge abspielen – Kriemhild, die ein Baby in ihren Armen hält – Wiesenthal, der eine Frau verfolgt – Emily, die weinend in unserem Wohnzimmer sitzt.
Ach ja, Emily! Ich muss sie unbedingt anrufen!
Nach dem Duschen schlüpfe ich schnell in meine Klamotten, Jeans und T-Shirt, der Einfachheit halber, und greife zu meinem Handy. Nach dem Einschalten sehe ich, dass ich fünf Anrufe in Abwesenheit hatte und eine SMS – alles von Emily. Bitte ruf an . Sonst nichts? Das bedeutet sicher nichts Gutes.
Mit dem Handy am Ohr ziehe ich die Zimmertür hinter mir zu, ich hoffe, George hat den Schlüssel mitgenommen. Wenn nicht, dann ist es jetzt auch zu spät. Nach dem zweiten Klingeln meldet sich eine abgehetzt klingende Emily.
„ Hilda, gut, dass du anrufst! Es ist furchtbar! Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte! Es ist schrecklich!“ Sie hört sich atemlos und aufgebracht an.
„ Emily, was ist denn passiert? Ganz ruhig, tief durchatmen, und dann erzähl‘s mir der Reihe nach, ich verstehe ja kein Wort!“, rede ich – wie ich hoffe – beruhigend auf Emily ein. „Geht es um Nils?“
„ Nein, mit Nils ist alles okay. Er hat es ganz gut aufgenommen. Natürlich war er war furchtbar traurig und verletzt, aber wir habe lange darüber geredet, wie es weitergehen soll.“ Sie macht eine Pause.
„ Und?“, frage ich neugierig, „Was habt ihr beschlossen?“ Sie seufzt.
„ Er sagt, er weiß nicht, ob er mir jemals wieder vollständig vertrauen kann. Er will mich und unsere Beziehung aber auch nicht aufgeben.“
„ Aber das ist doch gut“, antworte ich. Mittlerweile bin ich im Speisesaal
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