Nur ein Märchen?: Gratisaktion bis 15.10.2013!
und mich dort hocharbeiten.
Als ich im Hotel ankomme, werde ich direkt von der – nun ja, Chefin kann ich sie kaum nennen, ihn ihrem Mittelalter-Kittel, daher sage ich mal – Herbergsmutter begrüßt.
Ich erkläre ihr, dass ich Angst habe, den Armreif in der Stadt zu verlieren und frage sie, ob es möglich sei, ihn im Safe zu lassen.
Aber sie schüttelt den Kopf und sagt mit bedauernder Miene: „Das tut mir jetzt wirklich leid, aber wir nehmen grundsätzlich keine Wertsachen entgegen. Das ist eine Haftungssache. Wissen Sie“, meint sie dann vertraulich, „wenn wir hier lauter teure Sachen im Tresor liegen haben, dann müssen wir eine höhere Versicherung abschließen und eigentlich müssten wir dann auch Überwachungskameras installieren. Man weiß ja nie.“
Na gut, es war einen Versuch wert. Ich bedanke mich, nehme den gigantischen Zimmerschlüssel entgegen und gehe durch den auch am Tag sehr unheimlich wirkenden Flur – nicht ohne mich dabei mehrmals möglichst unauffällig umzusehen.
Beim Öffnen der Tür merke ich sofort, dass etwas nicht stimmt. Die Schubladen der Kommode sind zum Teil leicht geöffnet und der Schreibtischstuhl steht anders als vorher. Ein Blick in meinen Koffer – zum Auspacken war ich zu faul – sagt mir, dass er durchwühlt wurde.
Ich bin zwar nicht die Ordnung in Person, aber in meinem Koffer sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Benutzte und frische Wäsche liegen kreuz und quer durcheinander, der Inhalt der Seitenfächer wurde achtlos in das große Hauptfach geworfen.
Was hat das zu bedeuten? George war wohl kaum hier und hat in meinen – und seinen – Sachen herumgewühlt. Sollte jemand Fremdes hier eingebrochen sein? Gestohlen wurde jedenfalls nichts, sofern ich das im Moment richtig erkennen kann. Georges Laptop wurde zwar aus der Hülle genommen, aber es liegt auf dem Schreibtisch. Und sonst waren keine Wertgegenstände im Zimmer.
Langsam drehe ich eine Runde durch das Zimmer und das kleine Bad. Ich glaube fast, mein Körper hat vorhin schon sein Tagespensum an Panik produziert, denn obwohl eindeutig in mein Zimmer eingebrochen wurde, bin ich die Ruhe in Person.
Auch Georges Sachen sind durcheinander und im Bad liegen diverse Kosmetikartikel auf dem Boden unter dem Waschbecken.
Erschöpft und genervt lasse ich mich auf mein Bett sinken. Das kann doch alles nicht wahr sein! Mir kommt es so vor, als hätte ich keine ruhige Minute gehabt, seit ich in Worms angekommen bin. George hat mir eine wundervoll erholsame Woche mit ausgiebigem Shopping versprochen, aber bisher ist es nicht wundervoll, nicht erholsam und zum Shoppen war auch noch keine Zeit.
Dafür stolpere ich von einer misslichen Lage in die nächste. Ich setze mich auf und lasse meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Auch wenn anscheinend nichts gestohlen wurde, eigentlich müsste ich trotzdem die Polizei einschalten, oder?
Besonders wenn man bedenkt, dass in meiner Wohnung zu Hause auch jemand war – oder zumindest nahe dran – und dass ich diese Nachrichten auf der Mailbox habe. Aber welche Polizei ist zuständig? Die Wormser Polizei oder die zu Hause?
Plötzlich sehe ich etwas, das auf dem Boden vor dem Bett liegt. Ein kleines Zettelchen. Ich greife danach und falte den Papierschnipsel auseinander. Darauf stehen in krakeliger Schrift Satzfetzen, die zum Teil durchgestrichen oder mit Pfeilen markiert und an neue Positionen verwiesen wurden.
Durchschaut man das Durcheinander, entstehen drei Sätze: Du kannst nicht vor deinen Geheimnissen fliehen . Deine Vergangenheit holt dich immer ein. Es kommt der Tag, an dem du für die Sünden deiner Familie büßen musst .
In Erwartung einer neuen Panikattacke – immerhin war der Nachrichten-Hinterlasser in meinem Zimmer und weiß also sehr wohl, wo ich bin – fange ich schon mal an, zu atmen. Tief ein, langsam aus. Aber die Panik bleibt aus. Das Gefühl, das sich langsam aber sicher in mir ausbreitet, ist keine Angst. Es ist Wut.
Als Erstes suche ich die gute Frau an der Rezeption auf, immerhin ist sie verantwortlich für diesen Laden. Missmutig stapfe ich erneut durch den nicht enden wollenden Flur.
„ Was kann ich denn für Sie tun, meine Liebe?“, empfängt mich die Dame des Hauses mit einem zuckersüßen Lächeln.
„ In meinem Zimmer war jemand und hat meine Sachen durchwühlt“, motze ich sie an. Ich weiß, sie kann auch nichts dafür, aber sie ist nun mal gerade der einzige Mensch, an dem ich meine miese Laune auslassen
Weitere Kostenlose Bücher