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zum Gehen wenden.
„ Nein“, antwortet der ältere von beiden freundlich, „das hat keinen Sinn. Sehen Sie, Sie wohnen in diesem Zimmer gemeinsam mit einem Mann, das heißt, von Ihnen beiden sind auf jeden Fall Fingerabdrücke vorhanden. Dann arbeiten hier Zimmermädchen, von denen werden wir wohl auch Abdrücke finden. Und aller Erfahrung nach wird in Hotels nie so sauber geputzt, dass die Fingerabdrücke der vorherigen Gäste vollständig beseitigt werden. Also würden wir mit Sicherheit viele Abdrücke finden, aber wir können nicht die Gäste von vor drei Monaten um einen Vergleichsabdruck bitten.“ Das ist einleuchtend und auch ein bisschen eklig.
„ Außerdem“, fügt der jüngere Beamte hinzu, „wurde die Tür mit einem Schlüssel geöffnet. Folglich liegt es im Bereich des Möglichen, dass ein Hotelmitarbeiter in Ihrem Zimmer war, und seine Fingerabdrücke zu finden, würde nichts beweisen. Das würde uns nicht weiterhelfen.“
Verzweifelt sehe ich von einem zum anderen. Dann sprudelt die Geschichte mit dem Zettel und den Nachrichten auf meiner Mailbox nur so aus mir heraus. Auch die Tomaten und das Geritze in meiner Wohnungstür lasse ich nicht aus.
„ Und was soll ich jetzt machen?“, frage ich, als ich am Ende angelangt bin, und fühle mich verloren und ausgelaugt.
„ Sie können nichts weiter tun. Die Nachrichten stellen noch keine direkte Bedrohung dar, und wenn das alles schon aktenkundig ist, müssen wir es an die entsprechende Dienststelle weiterleiten. Die Kollegen kümmern sich darum. Wir werden uns noch mit den Mitarbeitern des Hotels unterhalten, vielleicht ist jemandem etwas aufgefallen. Und falls Sie beim Aufräumen merken sollten, dass doch etwas gestohlen wurde, rufen Sie uns bitte an.“ Der jüngere Polizist reicht mir seine Visitenkarte.
Resigniert begleite ich die Polizisten nach vorne zur Rezeption. Vielleicht kann ich etwas aufschnappen, wenn sie die Angestellten verhören. Keine direkte Bedrohung, dass ich nicht lache! Nur weil mir nicht konkret damit gedroht wird, mir die Finger abzuschneiden, die Kehle aufzuschlitzen oder sonst was, gilt es nicht als Bedrohung.
Unauffällig setze ich mich im Speisesaal in die Nähe des Eingangs und verstecke mich hinter einer großen Zimmerpflanze. Sie befragen die Inhaberin über die Abläufe im Hotel, wer an diesem Tag Dienst hatte, wer Zugang zu den Zimmern und den Zimmerschlüsseln hat, und sie gibt bereitwillig Auskunft. Alles eher uninteressant und ich gehe nicht davon aus, dass irgendeiner der Angestellten plötzlich anspaziert und den Einbruch gesteht.
Gelangweilt sehe ich auf meine Uhr. Zehn nach fünf. Ach herrje, ich wollte mich doch um fünf Uhr mit Markus treffen! Das habe ich bei dem ganzen Aufruhr komplett vergessen. Wo wollten wir uns denn nochmal treffen?
Streng dein Gehirn an, Hilda! Hatte er nicht gesagt, wir treffen uns in meinem Hotel? Doch, ich glaube, das war’s. Im Hotel. Aber habe ich ihm überhaupt gesagt, in welchem Hotel wir wohnen? Ich glaube nicht, er hatte es doch furchtbar eilig. Wo hab‘ ich denn nur den Zettel mit seiner Nummer? Ich muss ihn anrufen und fragen, wo wir uns treffen sollen.
„ Ja, doch, jetzt wo Sie es sagen, ein Mann war hier, das war schon ein bisschen komisch“, höre ich die Stimme der Hotelbesitzerin. Das scheint interessant zu werden, und ich beuge mich weit vor, in den gigantischen Pflanzkübel hinein, damit ich auch bloß nichts verpasse. Die Frau wirkt aufgeregt.
„ Das hätte ich beinahe vergessen, ich habe mir zuerst wirklich nichts dabei gedacht. Da kam ein junger Mann und hat nach der Studentengruppe gefragt, die hier wohnt, er wollte gern mit jemandem aus der Gruppe reden. Ich hab‘ ihm dann aber gesagt, dass die Gruppe ins Museum gegangen ist – ich weiß schließlich, was meine Gäste tun – und dass sie den ganzen Tag nicht hier sein werden“, erklärt sie mit ein bisschen Stolz in der Stimme.
Ich frage mich nur, worauf sie stolz ist. Dass sie ihre Gäste beschnüffelt? Dass sie Dieben und Verbrechern bereitwillig Auskunft erteilt?
Die Polzisten nicken und der eine schreibt auf einem kleinen Notizblock mit. Meine Gedanken überschlagen sich. Es hat jemand nach unserer Gruppe gefragt und erfahren, dass wir nicht da sind. Das heißt, der Einbrecher wusste genau, dass er kaum ein Risiko eingeht, wenn er in unser Zimmer einbricht. An den Schlüssel zu kommen, dürfte nicht schwer gewesen sein. Er musste nur warten, bis der Empfang einen Moment unbesetzt war,
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