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es ist. Es war dunkel, als ich hier drin aufgewacht bin, das heißt es muss schon nach zehn gewesen sein. Und ich schätze, dass ich sicher schon seit einer halben Stunde hier herumsitze. Als ich in der Villa ankam, war es ungefähr sechs Uhr.
Was hatte ich eigentlich mit George ausgemacht? Wollten wir uns um eine bestimmte Zeit treffen? Habe ich ihm erzählt, dass ich heute zu Markus gehe? Wann wird George anfangen, sich Sorgen um mich zu machen? Wird er die Polizei einschalten? Aber selbst wenn George zur Polizei geht, die unternehmen sowieso erst mal nichts. Für eine Vermisstenmeldung bin ich noch nicht lange genug verschwunden. Obwohl…
Angesichts der Vorgeschichte – Einbruch ins Hotelzimmer, bedrohliche Nachrichten auf meiner Mailbox und in dem Zimmer, Vandalismus in meiner Wohnung – könnte die Polizei vielleicht doch etwas tun? Liegt es nicht nahe, dass man mich hier regelrecht verfolgt und belästigt hat? Ich bin das Opfer eines Stalkers, der mich dann auch noch entführt hat! Steckt etwa Wiesenthal am Ende hinter all dem?
Aber so, wie ich die Situation und die Polizisten einschätze, werden sie nichts unternehmen, außer George zu raten, einfach abzuwarten. Vielleicht kommt das flatterhafte Frauenzimmer von allein zurück. Weiß man doch, wie Frauen sind. Vergessen beim Shopping und beim Kaffeeklatsch die Zeit. So etwas in der Art werden sie sagen – und ich bin verloren. Einem Verrückten ausgeliefert.
„ So ein verdammter Kack-Mist-Dreck“, fluche ich laut und stampfe mit dem Fuß auf den Boden. Dann sitze ich wieder still da, stütze den Kopf in die Hände und fühle mich mutlos und verlassen. Wenn ich es schaffen sollte, diesen furchtbaren Penner von Wiesenthal auszutricksen und mich an ihm vorbei durch die Tür zu drängeln, dann bin ich immer noch auf diesem verfluchten Grundstück gefangen. Ich habe keine Ahnung, von wo aus sich die Tore öffnen lassen, und einen anderen Fluchtweg gibt es nicht.
Plötzlich höre ich ein Geräusch – es kommt von draußen, durch den Lüftungsschacht. Ein Knirschen, das langsam anschwillt und dann wieder leiser wird – es ist ein Auto! Ich muss also in der Nähe der Auffahrt sein, das Knirschen stammt von den Reifen auf dem Kies. Dann wird es wieder still, ich halte den Atem an. Soll ich zum Schacht gehen und um Hilfe rufen? Jetzt ist da draußen ein Mensch, der mich vielleicht retten kann! Ich stelle mich auf die Pritsche und umklammere das Gitter an der kleinen Luke.
Da sind Stimmen! Es sind also mehrere Menschen, nicht nur einer! Soll es schon die Polizei sein, die mich hier sucht? Habe ich George doch erzählt, dass ich hierher komme, und er hat es den Polizisten erzählt? Ich öffne den Mund, um aus Leibeskräften loszubrüllen.
„… wirst du gleich sehen, aber raste bloß nicht aus“, höre ich Wiesenthal sagen. Schritte erklingen, eine zweite Stimme ertönt.
„ Du machst es aber spannend! Was ist denn jetzt schon wieder?“ Das ist Markus! Mein Herz macht einen Hüpfer, als ich seine Stimme erkenne. Er wird mich retten, mein Märchenprinz wird mich aus den Fängen des Bösen reißen! Hatte Hilda Imster, acht Jahre, doch Recht! Der Märchenprinz kommt und erlöst mich! Das ist eigentlich noch viel besser als die Polizei!
„ Aber ich sag’s dir: Keine Sperenzchen! Ich hab‘ schon dafür gesorgt, dass …“ Wiesenthal Seniors Stimme klingt drohend und verebbt, bevor ich erfahre, wofür er gesorgt hat. Ebenso schnell wie die Freude und Erleichterung, als ich Markus‘ Stimme erkannt habe, kommt nun die Angst zurück.
Immerhin ist Markus der Sohn des bekloppten Wiesenthal, vielleicht wird er mir gar nicht helfen, wenn er sich dafür gegen seinen Vater stellen muss? Scheiße! Vielleicht hat er mich mit Absicht her gelockt und mich seinem Vater ausgeliefert? Aber das würde er doch nicht tun!?
Fieberhaft überlege ich, was ICH nun tun soll. Eine Tür wird geöffnet, dumpfe Stimmen erklingen, Männerstimmen, wahrscheinlich Markus und sein Vater, aber ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Schritte nähern sich, Schlüssel klappern, die Stimmen verstummen.
Schnell lege ich mich auf die Pritsche. Gegen zwei Männer habe ich keine Chance, also brauche ich gar nicht erst zu versuchen, sie zu überrumpeln. Also Plan B: Opossum. Das heißt bei Gefahr tot stellen. Gut, ich stelle mich nicht wirklich tot, aber schlafend. Die wissen nicht, dass ich schon vor einer gefühlten Ewigkeit aus meiner unfreiwilligen Narkose erwacht bin.
Ich schließe
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