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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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zersägten Kettenglieds.
    Rasch springe ich auf, laufe hin und bücke mich nach der Trophäe.
    »Darf ich die behalten?«, frage ich den verwundert dreinblickenden Burschen und zeige ihm die beiden Teile auf meiner Hand.
    »Klar«, brummt der junge Kerl. »Aber lass es die Chefs nicht sehen.«
    O Gott, wenn er mich jetzt bloß nicht fragt, wozu ich sie haben will, denn das weiß ich selbst nicht. Genauso wenig wie ich weiß, ob mein Gefühl, etwas vermeintlich Wichtiges in die Hände bekommen zu haben, begründet ist. Bis gerade eben beschränkten sich mein Kenntnisse von dem Vorfall auf die damals in Getxo kursierenden Gerüchte. Diese Erinnerungsfetzen eines seinerzeit sechzehnjährigen Sancho, nicht zu vergessen meine bisherigen Gespräche mit Lucio Etxe und Eladio Altube, haben mich dem Ganzen aber nicht so nah gebracht wie diese beiden Stückchen Eisen: Mit diesem zersägten Kettenglied »begreife« ich den Fall, wird er endlich ganz real!
    Ich bin so euphorisch, dass ich den Burschen beinahe frage: »Kannst du dich erinnern, an wen du vor zehn Jahren eine ähnliche Kette verkauft hast?«, kann mich zum Glück aber gerade noch beherrschen, da mir meine Idole wieder in den Sinn kommen. Sie würden nicht so übereilt handeln, sondern mit den Zähnen eine Lucky Strike aus der Zigarettenschachtel ziehen, selbige mit einer eleganten Bewegung anstecken, einmal tief daran ziehen, den Rauch ausstoßen, ihren Hut zurechtrücken und ein zufriedenes »Okay!« brummen.
    Kaum ist der Monteur mit seinem schweren Paket zur Tür hinaus, kommt Joseba Ermo aus dem Hinterzimmer, um das eingenommene Geld aus der Schublade zu nehmen und den Eintrag in der aufgeschlagenen Kladde zu überprüfen. Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, verschwindet er damit wieder im Hinterzimmer.
    »Ich mache Mittag«, ruft ihm der Bursche im selben Augenblick hinterher, winkt mir zum Abschied kurz zu und ist auch schon weg.
    Allein gelassen, doch gut gelaunt kehre ich zu meinem Schemel zurück, schließlich mussten meine Idole auch immer in schäbigen Absteigen, von Rauch geschwängerten Spelunken oder zugigen Ecken warten, bis sich wieder was tat. Zudem bin ich voller Hoffnung, den Fall bald zu lösen, auch wenn das wahrscheinlich ein typischer Anfängerfehler ist; es wäre sicher besser, wenn ich nicht so zufrieden wäre. Ganz langsam lasse ich meine beiden Fetische in die Jackentasche gleiten, als die Türglocke erneut schrillt. Herein kommt eine Frau um die vierzig mit einem Korb.
    »Der Angestellte macht Mittag, und die Chefs haben hinten was zu besprechen«, teile ich ihr mit, damit sie wieder geht. Unbeirrt geht sie jedoch zum Ladentisch, auf dem sie ihren Korb abstellt, und dreht sich dann zu mir um.
    »Ich will nichts kaufen«, sagt sie mit einem seltsam traurigen Lächeln. Ihre blonden Haare hat sie streng nach hinten gekämmt und zu einem Knoten aufgesteckt, was der Schönheit ihres Gesichts aber keinerlei Abbruch tut. An jedem anderen Ort auf der Welt wäre ich nicht mehr überrascht gewesen: Sie ist die Frau von Eladio Altube. Wie heißt sie bloß noch mal? Während ich sie anstarre, fällt es mir plötzlich wieder ein: Bidane Zumalabe. Aufgrund von Leonardos Tod musste die Hochzeit damals um ein Jahr verschobenwerden. Dann zogen die Frischvermählten auf den Hof, wo die Zwillinge gelebt hatten, bevor sie vier Jahre später den Zumalabena-Hof von Bidanes Eltern übernahmen, wo Eladio Altube allerdings nie eine Hacke, einen Pflug oder eine Heugabel in die Hand nahm, wie ich von meiner Mutter weiß, die mittags am Küchentisch immer den Dorftratsch zum Besten gibt.
    »Sie sind nicht aus Getxo, oder?«, will die Frau jetzt wissen.
    Das hat man davon, wenn man an einem Werktag mit Anzug, Krawatte und Hut herumläuft. Ich stehe auf.
    »Doch. Meine Buchhandlung ist nur ein paar Schritte von hier entfernt.«
    Sie lächelt, aber die Selbstsicherheit, mit der sie hereingekommen ist, ist weg: Sie scheint sich vor einem elegant gekleideten Buchhändler ein wenig zu schämen. Wahrscheinlich sieht sie vor ihrem geistigen Auge meine Bücher, diese Welt, die ihr völlig fremd ist, denn sie gehört zu denen, die nach der Schule nie wieder ein Buch in die Hand nehmen.
    »Ich bin im Dienst«, erkläre ich unvermittelt.
    Sie kann unmöglich wissen, worauf ich mich beziehe, glaubt sich aber dennoch zur Auskunft verpflichtet.
    »Ich bringe ihm nur sein Mittagessen«, sagt sie und sieht zur Tür des Hinterzimmers, hinter der noch immer wütende

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