Nur Ein Toter Mehr
nämlich schon an der Übersetzung des ›Don Quijote‹ ins Baskischegescheitert, und das, was Cervantes in so großem Maß besaß, fehlt ihm ebenfalls: eine gewaltige Vorstellungskraft. Halt dich also besser an deine Amerikaner.
Agur.
«
12 Don Julio
Gegen vier lassen mich das Gebimmel des Glöckchens und eine energische Stimme hochschrecken. Stöhnend richte ich mich an Koldobikes rotem Tischchen auf, wo ich, den Kopf auf den Armen, eine Stunde zuvor eingedöst bin.
»Du hast also doch jemandem die Tür aufgemacht.«
»Dem Lehrer, Don Manuel.«
Koldobike war wohl in der Apotheke, denn sie holt mehrere Fläschchen und Tiegel aus ihrer Handtasche.
»Hat er ein Buch gekauft?«
»Nein … Allerdings wären durch ihn beinahe mein Fall, der Roman und die Gerechtigkeit den Bach runtergegangen. Sag, was meinst du zu seiner Hypothese, dass die Zwillinge sich selbst an den Felsen gekettet haben, damit Etxe und der Schmied sie im letzten Moment retten? Und das, um unser Mitgefühl zu erregen, man stelle sich das mal vor!«
Der Wattebausch in Koldobikes Hand bleibt in der Luft stehen.
»Der Arme, er wird zusehends senil«, sagt sie abschätzig.
»Don Manuel ist einfach davon überzeugt, dass die Menschen von Grund auf gut sind. Vor allem wir Basken, davon ist er nicht abzubringen.«
»Das ist der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe«,murmelt Koldobike, während sie hingebungsvoll Wundsalbe auf die Platzwunde über meiner linken Schläfe tupft.
»Trotzdem geht mir seine Idee nicht aus dem Kopf. Denn so verworren der Plan auch ist, irgendwie ist er auch ganz schön raffiniert. Auch wenn er einige Risiken in sich birgt: Die Naturgewalten hat niemand im Griff, und es kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren.«
»Lass mich jetzt nach deinen Blutergüssen sehen. Komm mit aufs Sofa.«
»Das geht jetzt nicht, ich muss nachdenken. Und außerdem habe ich fast keine Schmerzen mehr«, versuche ich sie abzuwehren, doch sie zieht mich schon an der Hand nach hinten.
Kaum liege ich auf dem Sofa, drückt sie mir ihre Faust in die Nieren, sodass ich unwillkürlich aufstöhnen muss.
»Von wegen schmerzfrei. Los, mach den Oberkörper frei.«
Während sie neben mir ein dunkles Glasfläschchen zu öffnen versucht, zerre ich mit einer Hand Hemd und Unterhemd aus dem Hosenbund und präsentiere dieser Frau dann meine schmächtige Brust, auf die ich, ehrlich gesagt, noch nie stolz war.
Nachdem Koldobikes rechte Hand sie mit zärtlichem Druck Quadratzentimeter für Quadratzentimeter eingerieben hat, befiehlt sie mir, mich umzudrehen. Danach widmet sie sich so voller Hingabe meinem Rücken, dass sie meinen irrigen Glauben, schmerzfrei zu sein, ins Reich der Fabel verbannt und ich die Falangisten erneut verfluche, die dafür verantwortlich sind. Als mein Ärger abflaut, fallen mir vor Müdigkeit die Augen zu.
Irgendwann schrecke ich abrupt hoch. Um mich herum ist es dunkel, doch rechts von mir sehe ich unter der Tür hindurch Licht.
»Koldobike!«, rufe ich. »Ich muss zu Don Julio!«
Mit Schwung stößt jemand die Tür auf, sodass ich geblendet die Hand vor die Augen halten muss.
»Die drei Stunden Schlaf scheinst du nötig gehabt zu haben.« Blinzelnd erkenne ich, dass Koldobike schon wieder auf dem Weg nach vorn in die Buchhandlung ist. »Komm, steh auf, ich muss dir was erzählen.«
Als ich mich vorsichtig aufrichte, fällt mein Jackett auf den Boden, mit dem sie mich vorhin anscheinend noch zugedeckt hat.
»Dieser Mann, der Getxo schrittweise vermisst, war wieder da«, erklärt sie mir, als ich mit frisch gewaschenem Gesicht an ihr rotes Tischchen trete. »Er wollte wissen, ob wir Bücher kennen, in denen Entfernungen mit Schritten gemessen werden. Das würde ihn nämlich unheimlich ärgern, meinte er, weil er der Erste sein will. Er hat mir eine Liste gebracht. ›Bitte recherchiere das für mich und beweise, dass du eine tüchtige Buchhändlerin bist‹, hat er gesagt. Als ob ich sonst nichts zu tun hätte! Hör dir nur die Titel an: ›Das Wappen der Pfarrkirche von Getxo‹ von einem Marquis von Ciadoncha, das muss ein Artikel in einer Zeitschrift sein. Dann ›Spaziergang durch Las Arenas und Algorta‹ und ›Der Bürgermeister von Tangora‹, beide von Rochelt. Außerdem hat er erfahren, dass ein Trinitariermönch namens Gorostiaga an einer Geschichte von Getxo schreibt, und bittet uns, dass wir ihn fragen, ob er die Entfernungen in Schritten misst. Was sagst du dazu?«
»Ich bin in Eile.«
»Wozu
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